Diese herrliche Skitour von Gries am Brenner über den Sattelberg in den Ort Brenner ist Tag 4 der Wipptaler Winterdurchquerung. Du kannst sie aber auch alleinstehend und unabhängig davon machen. Allerdings funktioniert sie öffentlich nur Montag bis Freitag.
Frühlingsgefühle
Als ich nach dem Frühstück noch kurz in mein Hotelzimmer komme, dringt durch den Spalt des gekippten Fensters Vogelgesang. „Wann war das letzte Mal so eine lagen Schönwetterperiode?“ – hatte Anna freudig-erstaunt bei Tee, Müsli und allerlei Köstlichkeiten als Frage in den Raum gestellt. Frühling liegt in der Luft.
Die Etappe des vierten Tages beginnt wieder mit den wenigen Schritten vom Hotel zum Bahnhof: 9:06 Uhr S3 nach Stainach, dann mit dem Bus 4145 Richtung Obernberg.
Leider konnten wir innerhalb der nächsten 6 Tage keine Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Braunau zu dieser Tour für dich finden.
„Zum Sattelberg?“ fragt der Chauffeur angesichts unserer Ausrüstung, legt einen „außerplanmäßigen Halt“ ein und lässt uns genau unter der gestrigen Autobahnbrücke aussteigen.
Am Gehsteig macht mein Herz einen Freudensprung: „Eisblumen“, wie ich sie bei der Tour zum Knallstein erstmals kennengelernt habe, zieren den Beton!
Judith vom Tourismusverein Wipptal gesellt sich zu uns, wird ebenso wie wir routinemäßig von Peter, der heute wieder unser Guide ist, auf eingeschaltetes LVS überprüft, und begleitet uns bis mittags.
Aufstieg zum Sattelberg
Peter hat längst mit kundigem Bergführerblick unsere Gruppe eingeschätzt und wählt entsprechend die Routenführung. Die vormittägliche Märzsonne fällt exakt im Winkel der Hangneigung ein und versteckt sich beim Auslösen des Fotoapparats – wie bestellt – hinter Susanne.
Unser Aufstieg ist beschildert und ausgetreten. Die parallelen Spuren ermöglichen es, voneinander zu erfahren und einander nach Herzenslust in Gespräche zu verwickeln.
Als ich mich, aufgrund des steileren Geländes – Peter weiß, dass er uns saubere Spitzkehren zutrauen kann – aus den Gesprächen ausgewickelt habe, geschieht etwas Neues, das ich so nicht kenne: Die Bewegungen, die ich nun schon den vierten Tag in Folge ausführe, laufen wie von selbst ab. Eigentlich ist nicht ganz klar, ob ich es bin, der die Schritte macht, oder ob ich nur die Füße hebe, und der Berg schiebt sich mir unter meinen Skiern Stückchen für Stückchen entgegen. Eine sonnenbeleuchtete Flechte an einem Lächenzweiglein … ein kunstvoll gefügter Zaun…… ein schattenwerfender Fichtenzapfen…
… sie alle berühren meine Emotionen tief (Gut, dass ich mit mir allein bin…) –
Da wird mir klar, dass ich zwar schon öfter vier Tage hintereinander Skitouren gegangen bin, aber noch nie vier Tage hindurch mit Skiern an den Füßen einem Ziel entgegengegangen bin. Die Erfahrung, die mich erfasst, ähnelt vielleicht der Erfahrung des Pilgerns: Ich gehe. Ob es steil ist oder flach – ich gehe. Ob es trüb ist oder sonnig – ich gehe. Ob ich gut drauf bin oder gerade keine Lust habe – ich gehe! Es geht nicht mehr um Lust und Laune, es geht nicht um sportliche Betätigung, es geht nicht darum, „mir die Rosinen (genau diesen Pulverhang) herauszupicken“, es geht ums Leben selbst, um die Treue zu einem Vorhaben, auf das ich mich nun einmal eingelassen habe. Es geht auf ein Ziel zu, das ich zwar nicht kenne, von dem ich aber weiß, dass es dies gibt! Und die Verheißung ist da: Du wirst das Ziel erreichen! Gehe nur! –
Diese innerliche Pilger-Erfahrung scheint mir das besondere Geschenk dieser Durchquerung zu sein. Es sind nicht einfach Skitourentage. Es ist ein Aufbrechen, ein tagelanges Unterwegssein auf ein Ziel hin, ein Durchhalten und Dranbleiben in einer Weggemeinschaft; und das macht, wie ich überrascht, fast überrumpelt feststelle etwas anderes mit der Seele als das Beliebige: heute halt dieser und morgen halt jener Gipfel.
Ist dies das „Versprechen der Durchquerung“, von dem Thomas in seinem Vortrag am ersten Abend gesprochen hat und das sich nun bei mir schon am vierten Tag, meinem Abreisetag, einlöst?
Ich habe wieder Anschluss an die Gruppe gefunden. „Totholz – auch ein fantastisches Kunstwerk!“ – staunt Thomas, der immer wieder ein Augenmerk darauf hat, dass ich ob meiner (Selbst)Gespräche den Anschluss an die Gruppe nicht verliere. Es tut mir wohl jungen Menschen zu begegnen, die mir im Staunen und in der Freude nahe Verwandtschaft erkennen lassen.
Von aus einer Fichte austretendem Harz kosten wir ein Tröpfchen. Es schmeckt – wie erstaunlich! – harzig und meine Zunge spielt damit wie mit einem zu lange gekautem Kaugummi.
Der Olperer, den nun „schon jedes Kind“ erkennt, lässt sich als stolzer König des Panoramas blicken.
An einer abgeblasenen Stelle in Gipfelsichtweite entdecke ich Preiselbeeren, die den Winter überstanden haben und nun geerntet werden wollen. „Da schmeckt ja eine Beere wie ein ganzer Löffel Marmelade!“ – meint Thomas genießerisch.
Dass es hier oben oft stürmisch zugeht, bestätigen skurrile Skulpturen.
Italien am Sattelberg
Die Durchquerung erreicht am Gipfel des Sattelberges Italien. Wir blicken zurück zur Serles, zur Kesselspitze, zum Eggerberg. Die Südhänge der Nordkette strahlen in der Mittagssonne.
Die heutige Abfahrt prägt sich besonders ein. Dies liegt nicht so sehr an der langen Traverse (die jedenfalls zu einer Durchquerung gehört, wie Susanne betont) inclusive Sprung über eine Wechte, und auch nicht an den schönen Hängen, die wir ohne Peters Führung nicht entdeckt hätten. (Titelbild)
Es liegt am steilen Waldweg. Gestern Abend haben wir uns Mühe gegeben: Es ist gelungen, zwischen Steigeisen (uns von den Führern zur Verfügung gestellt) und Skischuhen Freundschaft zu schließen. Diese Freundschaft bewährt sich nun: Der vereiste Weg leitet uns, an eindrucksvollen Gebilden … …und einem Tiefblick auf den Brennerpass vorbei…
…sicher zur Bahnstation des wichtigsten und verkehrsreichsten Übergangs der Ostalpen. Dort klingt die heutige Etappe, bedingt durch die willkommene Wartezeit auf den Zug, bei einem Schluck Rotwein oder Kaffee italienisch-entspannt aus.
Tourdaten
Resumee
Die vierte Etappe führt auf einen der meistbesuchten Skitourenberge des Wipptals. Die Route allerdings ist „exklusiv“, besonders für die Abfahrt ist ein ortskundiger Führer von Vorteil. Der steile Pfad ins Tal, der von Skifahrern als Manko empfunden werden könnte, ist in Wahrheit eine in Erinnerung bleibende Attraktion.
P.s.: Als Anregung für jene, die sich eine Hotelanreise mit ÖFFIS im Winter nicht zutrauen: Im Rail-Jet nach Salzburg sah ich ein Gepäckstück, welches ich nicht zuordnen konnte: Wird da eine Bassgeige transportiert? – fragte ich mich angesichts der Größe und des langen Halses. Ich sprach die Besitzerin an, „please English or Italian“. Es war ein Trolley, in dem Skier und Schuhe etc. in einem Stück rollend transportiert werden können. „Oh, it is fine to travel with!“