Die Vorfreude auf die Wanderung lässt mich früh aufstehen und den Zug am Morgen nach Spital am Semmering nehmen.
In etwa eindreiviertel Stunden komme ich dort an und stelle fest, dass der Semmering offenbar auch heute Wetterscheide ist. Nebel verhüllt den Blick von der Station auf das Stuhleck.
Es ist aber nicht kalt und bis ich am Gipfel bin, wird sich das wohl durch die Sonne und den angesagten Wind ändern.
Gleich bei der Bahnstation weist eine Tafel darauf hin, dass die Aufstieswege zum Stuhleck bzw. Alois-Günther-Haus in der Nähe der Kirche beginnen.
Dort finde ich dann einen Wegweiser, auf dem die Route der ehemals mit den Nummern 5, 6, und 7 bezeichneten Wege jeweils beschrieben ist.
Ich wähle den Weg über den Kaltenbachgraben, der ein kleines Stück danach mit 3 Stunden und 30 Minuten als Gehzeit bis zum Alois-Günther-Haus angeschrieben ist. Zunächst verläuft er auf der Kaltenbachstraße, wobei man ein Stück über eine Brücke auf die andere Seite des Bachs wechseln und damit abseits der Straße wandern kann. Bei der Gaißschlagermühle endet die öffentliche Befahrbarkeit der Straße und bald nach den Kaltenbach-Jagdhütten beginnt ein Steig.
Hier gibt es lichtere Stellen im Wald, eine Gelegenheit, den Ausblick nach etwa 75 Minuten Wanderung für eine kurze Rast zu nutzen. In Serpentinen geht es dann durch dichten Wald hinauf. Bei der Querung einer Forststraße ergibt sich zum ersten Mal ein Blick auf die Wiener Hausberge.
Und bald erreiche ich nach bisher 2¼ Stunden Gehzeit das Karl Lechner Haus, einer AV-Hütte der Sektion Stuhlecker.
Gleich danach ändert sich die Landschaft, der Wald wird viel natürlicher, besser strukturiert, mit verschiedenen Baumarten und Alt- bzw. Totholzbestand. Später in der Kampfzone, wo Einzelbäume, Latschenflächen und Heidevegetation ineinandergreifen, sieht man an den Baumformen, wie stark der Gipfelbereich dem Wind ausgesetzt ist.
Der Weg führt durch diesen landschaftlich wunderschönen Bereich relativ flach bis zur Stelle, wo die Mauerreste der Nansen Hütte stehen. Eine Tafel weist darauf hin, dass die 1896 erbaute Hütte die erste Skihütte der Alpen war.
Von hier ist es nur mehr ein kurzes Stück bis zum Gipfelkreuz und herrlichem Ausblick auf die Bergketten der Umgebung.
Bevor ich ins Alois-Günther-Haus
gehe, um mich windgeschützt zu stärken, erweckt die derzeit im Testbetrieb befindliche Windturbine beim Haus mein Interesse.
Wind ist hier wahrlich oft, sodass die Energiegewinnung viel versprechend scheint. Schließlich wurde nicht weit vom Gipfel der Kammbereich des Höhenzugs als Platz für einen Windpark gewählt.
Im Alois-Günther-Haus werde ich von den Wirtsleuten freundlich begrüßt. Es ist reger Betrieb. Ich genieße einen Kaiserschmarren und beziehe mein Zimmer. Das Wetter ist zwar seit dem Vormittag wesentlich besser geworden, der Wind jedoch beeinträchtigt für mich die Gemütlichkeit. Im Haus selbst ist man gut geschützt, selbst in der Nacht wird mein Schlaf nicht durch Windgeräusche gestört. Am nächsten Tag nach Erkundung, ob ich in der Umgebung wieder Heuschrecken und Pflanzen finde, die wir im Vorjahr beim sogenannten Tag der Artenvielfalt entdeckt hatten, trete ich den Rückweg an. Ich wähle den Abstieg über die Friedrichshütte. Dieser Weg führt über Wiesen mit Stangen gut markiert zunächst am Kamm zur Bergstation der Weissenelfbahn, dann zum Teil steiler, weil über die Schiabfahrt, an der Schwaigerhütte und einem Speichersee links vorbei. Später ist auf der linken Seite ein Speichersee
und rechts das Luiserlkreuz, bei dem das Schild vom traurigen Tod eines kleinen Mädchens erzählt.
An der Bergstation des Hühnerkogellifts rechts vorbei führt der Weg manchmal Forststraßen querend bis zur Talstation der Weissenelfbahn. Der Höhenunterschied bis hierher beträgt erst 400 Meter und doch ist ein deutlicher Unterschied zu merken. Der Wind ist wesentlich schwächer geworden und waren oben noch Trupps von Bergpiepern zu sehen und zu hören, so sind es nun Scharen von Misteldrosseln. An der Friedrichshütte führt der Weg rechts vorbei, in Serpentinen ein Stück die Sessellifttrasse hinunter. Und wieder gelangt man zu Lift-Bergstationen bei den Schieferhofwiesen.
Der Weg geht nach links an einer Hütte des Wintersportvereins Spital am Semmering vorbei und dann durch Wald bis zur Stuhleckstraße, die in den Ort führt. Über Pichl gelange ich zur Bundesstraße, die ich vorsichtig quere. Die Untere und die Obere Bahnstraße führen mich dann direkt zum Bahnhof. Insgesamt habe ich für den Abstieg zirka 2 Stunden gebraucht. Aufgrund meiner Ankunftszeit am Bahnhof ist es zeitlich günstiger, einen Regionalzug Richtung Mürzzuschlag zu nehmen und von dort wieder zurück Richtung Wien zu fahren. Während der Wartezeit auf den Zug blicke ich noch einmal nach oben Richtung Stuhleck,
dann fährt auch schon der Zug ein.
In Mürzzuschlag brauche ich zum Einsteigen in den Railjet nach dem Aussteigen nur den Bahnstein ein Stück entlang zu gehen.
Bei der Fahrt nach Wien wähle ich einen Fensterplatz rechts, um zum Abschied den Ausblick auf das Stuhleck und Teile meines Weges genießen zu können. Nach etwa 1½-Stunden Bahnfahrt komme ich in Wien an und spüre den eklatanten Unterschied zwischen der städtischen Umgebung und der Welt des Stuhlecks, die trotz seiner Höhe von nicht einmal 1800 Metern bereits alpinen Charakter hat.