Das Finale der Wipptaler Winterdurchquerung führt uns auf den ersten Gipfel auf der italienischen Seite des Brennerpasses, die Flatschspitze. Ehemaliges Skigebiet und somit angenehmes Skigelände. Im oberen Bereich dem Wind etwas ausgesetzt und mit schmalem, aber kurzem Grat zwischen Vorgipfel und Gipfel. Von den Strapazen der letzten Tage erhohlen wir uns bei einem sehr gemütlichen Hüttenabend auf der Enzianhütte!
Verbindungen mit Bahn und Bus von Reutte
Wir empfehlen von Reutte diese Verbindungen für die Hin- und Rückfahrten zur Tour:Nach einem ausgiebigen Frühstück mit ergiebigen Gesprächen, vor allem mit unserem wortgewandten Wiederkehrer Georg, der die letzten zwei Tage im Büro in München verbrachte, spazieren wir zu dem mittlerweile wohlbekannten Zug um 9:06 Richtung Brenner. Heute geht es bis an die Endhaltestelle, denn wir überschreiten später die Staatsgrenze zu Italien, das gibt “Überschreitungsflair”! Ebenso der für Thomas, unser heutiger Wegbereiter, obligatorische Espresso an der italienischen Grenze, und auch der vollgepackte Rucksack. Vollgepackt mit Übernachtungsutensilien, denn es geht noch weiter mit Überschreitungsflair: Nach Erklimmen des heutigen Gipfels, der Flatschspitze, dürfen wir uns auf eine Nacht in der Enzianhütte auf 1.894 Meter freuen! Trotz schweren Rucksacks ist deshalb an diesem sonnigen Morgen unser Gemüt ganz leicht. (Unser restliches Gepäck dürfen wir dankenswerterweise bei Flo im Hotel zurücklassen, er verwahrt es sicher in einem prachtvollen Saal. “Da könnte man sogar heiraten!”, staunt Georg später. Blöd nur, dass ihm Babsy, eine Freundin von Thomas, die uns heute auch begleitet, vehement vom Liebäugeln mit Tirolerinnen abrät!)
Aufstieg zur Flatschspitze und Abfahrt zur Enzianhütte
Nicht nur Babsy ist heute neu in der Gruppe, es schließt sich noch ein dritter Thomas an, Leiter der Alpen-Sektion in der Alpinschule Innsbruck. Auf dem langen Zustieg vom Brennerpass zum Ausgangspunkt der Tour (etwas mehr als 3 Kilometer entlang des – Gott sei Dank – nicht geräumten Radweges) bleibt Zeit zum Kennenlernen und für einige Anekdoten zur heutigen Tour. Zum Beispiel lernen wir, dass die Flatschspitze bis 1986 ein Skigebiet war.
Tipp: Je nach Witterung kann man auch mit dem Rad auf dem (ungeräumten) Radweg zum Toureinstieg fahren oder ein Taxi nehmen.
Vom alten Parkplatz, wo noch Christian zu uns stößt (wiederum ein Freund von unserem Bergführer), gehen wir vorbei an der mittlerweile baufälligen Talstation und erklimmen die ehemalige Talabfahrt.
Die gute Laune lässt uns über die harte Piste hinwegsehen, leider auch an wirklich rutschigen Stellen. Ich selbst fange mir hier meinen ersten und einzigen Sturz bei der Durchquerung ein, ab jetzt geb ich mehr “Obacht”!
Zwischendurch pausieren wir an einer Hütte in der Sonne, unsere Phantasie schweift schon ins Wochenende ab, der Tagtraum handelt von einem Weißwurstfrühstück mit Weißbier. Wir sind aber nicht in Bayern, sondern in Italien! Als wir etwa 300 Höhenmeter später die Enzianhütte erreichen, werfen wir deshalb auch sofort einen Blick auf die Speisekarte. Den Hauswein gibt es im Litergebinde, die Freude auf den Hüttenabend wächst!
Der Umtrunk und die köstliche Buchweizentorte will aber verdient sein, so steigen wir nun weiter auf. Das Gelände ähnelt nicht mehr einer alten Skipiste, zum Skifahren eignet es sich aber dennoch bestens. Ein breiter, flacher Rücken spitzt sich nach oben hin zu. (Leider ist er aber diese Saison recht abgeblasen, wir machen das Beste daraus!) Dort befindet sich der Einstieg zum kurzen Gipfelgrat – schon wieder “Überschreitungsflair” als Draufgabe zur tollen Skitour.
Im Aufstieg meint Thomas (Bergführer), dass wir den Grat ohne Ski gehen sollen, da die Hangquerung unterhalb bei der Abfahrt heikel sein kann. Susi hat diese Woche aber schon erzählt, dass sie sich von Männern nicht immer alles sagen lässt. Genauso wie Anna macht sie sich ein Bild der Lage und die beiden entscheiden, die Ski nicht zurückzulassen. Ich gehe hinterher, vertraue der Entscheidung der beiden. Auch mir selbst vertraue ich auf dem Grat, das geht leichter, je weniger ich neben mir in die Tiefe blicke. Hier hätte Karl bestimmt einige aufmunternde Worte für mich, leider konnte er wegen der Arbeit nicht mehr an der letzten Etappe der Durchquerung teilnehmen. Susi übernimmt, sie vertraut mir für den Grat sogar ihre Kamera an. Nach ein paar tollen Fotos treffen wir uns beim Gipfelkreuz und genießen gemeinsam den Rundblick!
Neben dem schönen Kreuz, ein traditionelles Werk der Zimmerei, ragt noch etwas anderes menschengemachtes in die Höhe: Der Sendemast eines alten Radiosenders. “Radio Zirog” hat er damals geheißen, wie uns Thomas zu Beginn der Tour erzählt, benannt nach dem zweiten Namen dieser alpinen Gegend: “Zirog”. Die italienischen Berge des Brennerpasses sind geziert mit einer Vielzahl von Sendemasten, nicht mehr alle sind in Betrieb. Radio Tirol ist hier eine der Ausnahmen.
Wir versuchen bei dem Senderhäuschen Schutz vor Wind zu finden, so ganz gelingt das leider nicht. Anna und Susi fahren ab, sie ziehen Kaffee und Kuchen auf der Enzianhütte der Eiseskälte vor. Ich bleibe, um die Eindrücke des zweiten Teils unserer Gruppe am Grat einzufangen.
Die knusprige Abfahrt bringen wir zügig hinter uns, auf der Sonnenterrasse der Enzianhütte wartet herzlicher Empfang. Sogar Nicole bemühte sich heute – extra für uns – nochmals auf die Hütte herauf. Ein toller Ausklang der Wipptaler Winterdurchquerung nimmt jetzt seinen Anfang…
Tipp: Bei Ankunft in der Hütte nicht vergessen den Schlafplatz zu erkunden. Bereitet man sich im Lager keine Decke vor, und geht man als Letzter in der Nacht ins Bett, dann wird es bitterkalt, da hilft auch der Latschenkieferschnaps nicht!
Abfahrt ins Tal
Ich verlasse als erster das Bett, will meine kalten Glieder bewegen. Ein kurzer Spaziergang aus der Hütte, um Eindrücke einzufangen und Dankbarkeit für diese tolle Woche hochkommen zu lassen!
Wieder in der Hütte überströmt mich die Wärme der Stube, die Vinschgerl und die Marmelade am Tisch sind verlockend! Ich nehme Platz, nach der Reihe füllen sich die anderen Plätze am Tisch. Etwas zerknitterte Gesichter, aber alle bei guter Laune! Gespräche übers Schnarchen, Traumreden und die flauschige Hüttenkatze kommen hoch, beinahe vergessen wir uns fertig zu machen. Um 9 Uhr sollen wir abfahren, an der Talstation holt uns heute ein Taxi.
Nach unserer sportlichen Leistung hält unser Fahrer sogar ein Holzstockerl bereit, um den Einstieg ins Auto zu erleichtern. Mit dieser Herzlichkeit hatten wir nicht gerechnet, in seiner Arbeit steckt Leidenschaft für die Menschen. Diese Erfahrung durften wir diese Woche des Öfteren machen!
Nun erwartet uns wiederum ein obligatorischer Kaffee am Brennerpass, hier treffen wir außerdem noch Helga, die Chefin des Wipptaler Tourismusverbandes. Wir rekapitulieren mit ihr kurz die Woche, bringen schöne Erinnerungen hoch. Sie freut sich, dass alles geklappt hat, und ist guter Dinge für die Zukunft des Wipptaler Tourismus. Selbst nutzt sie die gute Öffi-Verbindung ebenfalls gerne, fast vergisst sie heute auf die Abfahrt ihres Zuges vom Brenner hinab nach Tirol. Unser findiger Bergführer Thomas erinnert sie aber zum Glück rechtzeitig!
Auch wir führen unseren Weg fort, im Parkhotel in Matrei wartet noch unser Gepäck. Weit müssen wir es nicht tragen, gemeinsam mit Anna, Susi und Georg setze ich mich am Bahnhof auf der anderen Straßenseite in die nächste S-Bahn nach Innsbruck. “Na Thomas, schaffast no a Skitour?”, fragt mich Susi. Gemeinsam mit mir war sie die Einzige, die die ganze Woche mit von der Partie war. Nach 60 Kilometer und 5.700 Höhenmeter (inklusive Abstecher auf die Kesselspitze) spüren wir beide die Müdigkeit in den Beinen. “A bisserl was hamma scho dau!” Unsere Lust auf Schnee bleibt aber ungebrochen…