Traumblicke gewährt diese herrliche zweitägige Wandertour. Von der Marbachalm in Flachauwinkl über die Windischscharte zur Franz Fischerhütte. Am nächsten Tag über die Weißgrubenscharte zum Tappenkarsee und zum Jägersee in Kleinarl.
Die Entdeckung des Tappenkarsees
Die Entdeckung des Tappenkarsees verdanke ich einem Zufall. Vor einigen Jahren war ich mit meiner Schwester im Pongau unterwegs. Aus der für diesen Tag geplanten Tour wurde nichts, denn unsere Recherche war schlampig, der Bus nach Obertauern eben abgefahren, als wir bei der Busstation beim Postamt in Radstadt eintrafen.

Eine junge Frau mit Rucksack und Bergschuhen stand ebenfalls noch da. Wir fragten neugierig nach ihrem Ziel. „Jägersee und Tappenkarsee in Kleinarl, mit dem nächsten Bus,“ antwortete sie, „ist wunderschön dort!“ Die Entscheidung, es ihr gleich zu tun, fiel uns nicht schwer und so wanderten wir das erste Mal vom Jägersee hinauf zum Tappenkarsee. Es war Liebe auf den ersten Blick.
Ich habe die Tour von Wien aus gemacht. Das ist gut möglich. Allerdings nimmt man eine Anreise mit fünf verschiedenen Verkehrsmitteln über Leoben und Radstadt (Zug, Zug, Bus, Bus, Bus) inklusive Fehleranfälligkeit in Kauf (notfalls von Radstadt mit dem Taxi weiter).
Von Salzburg kommt man von der anderen Seite und fährt mit dem REX nach St. Johann im Pongau und dann mit dem Bus weiter. Man muss auch nicht sehr früh aufstehen. In guten zwei Stunden ist man in Flachauwinkel. Es braucht ein Zeitfenster von etwa 6 Stunden (kommt auf die Länge der Pausen an), um rechtzeitig zum Abendessen auf der Hütte zu erscheinen (18:30).
Marbachalmen
Flachauwinkl-Marbachalm steige ich aus dem Bus. Zu den idyllisch gelegenen Almen führt eine fast ebene Almstraße. Ein wunderschöner einfacher Spaziergang, der auch mit dem Kinderwagen machbar ist. Man darf auch mit dem Rad bis zur Ennslehenhütte fahren.
Zuerst komme ich zur Prechtlalm und nach etwa einer Stunde zur Ennslehenhütte. Beide laden zu einer zünftigen Jause mit frischen Produkten direkt von Bauernhof und Alm ein. Hier fühlen sich auch kleine Gäste wohl. Es gibt viele Tiere zum Streicheln und Beobachten und genug Platz zum Spielen.

Nach den beiden Almen wechsle ich von der Schotterstraße auf einen Almsteig, der gut beschildert gleich recht steil nach oben zur Ursprungalm geht. Je höher ich steige, desto schöner wird das Panorama hinter meinem Rücken. Vor mir baut sich der Tauern auf, da muss ich drüber. Unten fahren die Autos auf der A10 durch den Tauerntunnel. Die Autobahn ist aber weit genug weg, man hört und sieht sie nicht.
Die Radstädter Tauern sind sehr wasserreich und Quellschutzgebiet. Ich werde von Bächen, Lacken und Seen begleitet. Ganz in der Nähe befindet sich der Enns-Ursprung, zu dem von Flachauwinkl eine herrliche Wanderung durch fast unberührte Natur führt.

Über die Windischscharte zur Franz Fischerhütte
Nach der Ursprungalm wird der Weg etwas alpiner. Ich gehe unter dem Faulkogel immer weiter hinauf, über Schutthalden, Almböden, feuchte Wiesen und felsigeres Terrain. Auf etwa Zweitausend Metern Höhe teilt sich der Pfad. Ich gehe weiter zum Neukarsee. Der andere Weg führt auf den Faulkogel, allerdings anspruchsvoll und ausgesetzt. Beim Neukarsee mach ich Pause, Neunhundert Höhenmeter habe ich schon, Dreihundert fehlen noch. Ich blicke zurück zum Startpunkt der Wanderung ins Tal hinunter und hinüber. Rechts sieht man die Steinfeldspitze (oberhalb vom Zauchensee) und genau gegenüber Dachstein, Bischofsmütze, Hagen- und Tennengebirge.


Gut gestärkt und ausgeruht wandere ich weiter über blockiges Gelände mit vielen kleinen Wasserfällen und Lacken, die von Wollgras umrahmt sind. Der Pfad windet sich über Geröll und größere Blöcke immer weiter hinauf durch die bizarr anmutenden Felslandschaft.
Und dann oben auf der Windischscharte angelangt: Ein wolkenfreies Panorama auf zwei ganz Große: Hochalm und Ankogel. Beide leuchten weiß herüber. Für mich überraschend und überwältigend.

Übernachten auf der Franz Fischerhütte
Mit feuchten Augen steige ich von der Scharte ab Richtung Franz Fischerhütte, meinem Übernachtungsplatz. Der Ankogel liegt die ganz Zeit in seiner weißen Pracht vor mir. Dann erscheint die Franz Fischerhütte und der Zaunersee im Abendlicht auf der Bildfläche.
Ich lasse mich auf der Terrasse nieder und trinke einen Radler zum Ankommen. Drinnen spielt ein Berliner Gast auf einer Gitarre. Mir fällt sofort das mächtige Weißeck genau gegenüber der Hütte auf. Ein gewaltiger Mugel aus kalkigem Dolomit, wie alle anderen Berge hier. Der höchste Gipfel der Radstädter Tauern (2711m) ist berühmt für sein Fluoritvorkommen (–> Bucketlist). Ein unbeschreiblich schöner Moment, hier zu sitzen zu dürfen. Große Dankbarkeit überkommt mich für dieses reiche Leben. Das ist es, warum ich überhaupt hinauf will.

Dann werden mir charmant aber bestimmt die Hüttenregeln erklärt. Die Wirtin nimmt die Corona Regeln ernst. So bekomme ich ein Bett in einer Vierer-Koje im Lager für mich alleine. Sehr gemütlich. Alles neu, aus Zirbenholz. Ich genieße eine heiße (drei Euro) Dusche mit Panorama-Fenster und lassen mich dann kulinarisch verwöhnen. Die Halbpension kostet 29 Euro und enthält Suppe, Hauptspeise, Salat, Nachspeise und Frühstück vom Buffet. Gekocht wird vegetarisch/vegan.
Ich suche mir das Erdäpfelgulasch mit Räuchertofu und Polentaknödel aus. Es schmeckt himmlisch gut und ist noch dazu auch ein Augenschmaus. Mit meiner Tischnachbarin unterhalte ich mich bei einem Achterl Rotwein bestens. Sie lebt am Wörthersee. Ihr ganzes Herz gehört neben ihrer Familie den Bergen und sie gesteht, die ganze Woche nur darüber nachzudenken, wohin sie demnächst wandern könnte. Wie gut ich sie verstehe.
Immer wieder schauen wir zum Ankogel hinüber, dessen frisch angeschneiter Gletscher durch die Abendsonne besonders schön leuchtet. Später beobachten wir den Sternenhimmel, es ist eine klare Nacht. Kurz nach neun Uhr wird es dann ruhig, wir gehen schlafen. Um zehn ist Hüttenruhe. Morgen wird ein Traumtag und wir wollen, wie alle anderen früh aufstehen.
Weißgrubenscharte und Schiereck
Guten Morgen! Was für ein herrlicher Tag gerade beginnt. Ein gutes Frühstück, nette Gespräche und dann gehts los. Meine Sitznachbarin will das Mosermandl erobern. Das Berliner Paar steuert die Südwiener Hütte an. Alle haben ein breites Lächeln auf den Lippen. Oben ist das immer so. Ich verabschiede mich.

Mein zweite Etappe startet am Zaunersee direkt unter der Hütte, dort an einem gelben Schilderbaum ist der Tappenkarsee bereits angeschrieben. Ein schmaler Wiesenweg führt entlang der Zweitausender Höhenlinie über weitläufige Almen. Bei der nächsten Weggabelung gibt es die Möglichkeit übers Murtörl ins Riedingtal abzusteigen. Ich möchte aber zur Weißgrubenscharte. Für mich geht es jetzt gleich bergauf.
Oben auf der Scharte bietet sich mir eine überwältigende Aussicht: Der Gloßglockner, wolkenfrei, so wie ein paar andere der ganz Großen Österreichs, Sonnblick, Schareck, Wiesbachhorn.

Rechts der Scharte könnte ich jetzt zum Weißgrubenkopf aufsteigen. Das ist mir aber ein bisserl zu ausgesetzt. Wenn ich alleine unterwegs bin, fehlt mir die psychologische Unterstützung für solche Vorhaben. Nach links führt ein unmarkierter schmaler Pfad über den Kamm des Schierecks, der beim Haselloch wieder auf den markierten Weg trifft . Ich geh los, auf und ab, über den langen Kamm. Die Steigspuren verlieren sich manchmal im hohen Gras.

Übers Wurmfeld
Die Aussicht ist grandios. Ich präge mir lange alle Gipfel ein und steige dann zum Haselloch ab. Von dort führt der Weg durchs Wurmfeld hinunter zum Tappenkarsee. Das Wurmfeld hat seinen Namen von einem Lindwurm, der hier gelebt und sich hauptsächlich von Almvieh ernährt hat. Irgendwann wurde das den Bauern zu bunt. Mit einem Köder, der mit Schwarzpulver gefüllt war, erledigten sie den lästigen Parasiten.
Eine andere Sage erzählt, dass der Lindwurm in den Tappenkarsee geflüchtet sei, tief genug wäre er, um ein Monster zu verstecken. Salzburger Nessie also.

Tappenkarsee und Jägersee
Ich kehre in der Tappenkarsee Hütte ein, die etwas oberhalb des Sees liegt und sehr gut besucht ist. Glücklicherweise steht gerade jemand auf und überlässt mir den Tisch. Gleichzeitig treffen auch meine lieben Altenmarkter Freunde ein, mit denen ich verabredet habe, mich hinunter zum Jägersee zu begleiten. Der Abstieg vom See ist recht steil, der Weg aber sehr schön und breit angelegt. Wir sind bald unten bei der Schwabalm. Hier ist leider ein großer Parkplatz im Wald. Ich finde es schade, dass viele Wanderer nicht vom Jägersee weggehen, sondern auf der Schotterstraße so weit es geht in den Wald hineinfahren.

Wir wandern bis zum wunderschönen Jägersee, der ein sehr beliebtes Ausflugsziel ist. Ein Radler im Seegasthaus geht sich aus, wir finden Platz auf einem Holzsteg.

Der letzte Bus vom Jägersee nach St. Johann fährt um 17.05. Ich verabschiede mich. Auf Wiedersehen. Bis nächsten Sommer.