Wohin fahren drei Öffi-Wanderer Anfang November mit dem Zug, wenn die Tage kurz sind und schon etwas Schnee liegt? Ins Ennstal! Zur Ennser Hütte! Auf den Almkogel!
Veronika, Peter, Johannes und ich wollen eine gemeinsame Wanderung machen. Eine Bahn-zum-Berg-Autorenwanderung! Johannes ist aber zur Zeit beruflich so eingespannt, dass er diesmal passt und wir nur zu dritt fahren.
Die Einigung auf eine Tour gestaltet sich zuerst schwierig: Jeder von uns hat gute Ideen. Wir haben uns schon fast auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, die Hohe Wand geeinigt, als der Wetterbericht im Westen besseres Wetter als im Osten voraussagt. Oberösterreich wird in die Diskussion eingebracht. Ennstal von Peter, präzisiert auf Ennser Hütte von Veronika – mir gefällt die Idee mit dem Zug auf der schnellen Westbahnstrecke rauszufahren. (Mache ich übrigens viel zu wenig, obwohl sensationell schnell und einfach zu erreichen!)
Ich überspringe also die vielen E-Mails, WhatsApp Nachrichten sowie Telefonate und erzähle nur: Wir einigen uns darauf am Sonntag, nicht allzu früh los und nach Großraming zu fahren.
Mit dem Taxi zum Gschwendbauer
Peter hat am Vorabend das Taxi „Aschauer“ aus Weyer (+4373557717) für uns organisiert. Unsere Fahrerin wartet schon auf uns und packt unsere Rucksäcke in den Kofferraum. Auf der Fahrt zum Wanderparkplatz hinterm Gschwendbauer grüßt sie jeden, an dem wir vorbei fahren. Nicht nur der Höflichkeit wegen, sondern weil sie wirklich alle kennt. Und klarer Weise grüßen alle zurück! Hier ist die Welt noch in Ordnung.
Die Fahrt dauert nur wenige Minuten und kostet EUR 16,-.
Aufstieg zur Ennser Hütte
Vom Wanderparkplatz gehen wir los: Ein sanft ansteigender Weg führt uns in und durch einen lichten Mischwald.
Unser erstes Zwischenziel ist die Gschwendalm, die Veronika im Sommer besucht hat. Jetzt im November hat die Alm aber nicht mehr offen. Man sieht, dass alles vor Kurzem verlassen wurde – aber während Veronika uns erzählt wie lebendig und schön es im Sommer hier war entsteht für mich eine ganz eigenartige Stimmung.
Wir gehen die Alm weiter hinauf, bis wir wieder in den Wald kommen.
Am Weg hinauf entdecke ich Kammeis – Eisnadeln aus Porenwasser im Boden. Da mich dieses Phänomen schon seit langem begeistert und es nur zu dieser Jahreszeit zu finden ist, zeige ich es aufgeregt Veronika und Peter. Beiden ist es bis dahin noch nie aufgefallen und ich wußte bis dahin nicht, dass es im deutschen Kammeis heißt. Den Begriff hat Veronika im Nachhinein recherchiert.
Das Ende der Gschwendalm stellt ein Stacheldrahtzaun dar. Dieser scheint auch die Grenze für den Winter gewesen zu sein, den er noch nicht zu überschreiten gewagt hat. Wir hingegen sind nicht so zimperlich und nehmen den Gamsstein in Angriff!
Vom Parkplatz nach dem Gschwendbauer bis auf den Gipfel des Gamsstein waren es fast 600 Höhenmeter. Wir waren bisher 1,5 Stunden unterwegs.
Vom Gamsstein geht es jetzt einmal den Leopold Danzer-Steig 200 Höhenmeter recht steil hinunter. Da es ein bisserl rutschig ist, gehen wir recht langsam und vorsichtig.
Auf der Scharte gehen wir hinüber, um dann 220 Höhenmeter zur Ennser Hütte aufzusteigen.
Nach 1.000 Höhenmetern Aufstieg, 300 Höhenmetern Abstieg und exakt 3 Stunden (inklusive kleinen Pausen), kommen wir bei der Ennser Hütte an.
Noch bevor wir hineingehen besprechen wir was wir jetzt als nächstes machen wollen. Fest steht: Der Gipfel des Almkogels (1.513m) steht noch am Programm. Wir sehen danach zwei Möglichkeiten:
- Die Rucksäcke bei der Ennser Hütte zu lassen, während wir auf den Almkogel gehen, weil wir zurück kommen und direkt von der Hütte nach Norden nach Großraming zum Bahnhof gehen. Worte wie „Straßenhatscher“, nicht ungeschickt in die Unterhaltung eingeflochten, fallen.
- Wir nehmen die Rucksäcke mit, weil wir nicht zurück kommen. Nach dem Almkogel gehen wir über Burgspitz (1.429m) und Stallburgalm zum Bahnhof in Küpfern, wenn nicht gleich nach Kastenreith. Es mag sein, dass Peter in diesem Zusammenhang kurz positiv hervorhob, dass wir mit unseren Stirnlampen ja gut ausgerüstet wären. Den tieferen Sinn dieser Anmerkung lasse ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sickern, wo ich doch gerade so froh bin, dass die Sonne immer mehr herauskommt!
In einem transparenten Prozess wählen wir einstimmig Variante zwei: „Straßenhatscher“ 0, „Stirnlampen“ 3 Stimmen.
Mit diesem weiteren Sieg der Demokratie gehen wir in die Hütte um eine kleine Suppe zu uns zu nehmen und nicht zu lange Zeit drinnen zu verbringen. Als Peter anmerkt, dass ihm der Schweinsbraten auch gut zu Gesicht stehen würde, falle ich (um) wie ein herbstliches Blatt im winterlichen Laubwald und bestelle mir auch sofort einen Schweinsbraten! Ohne Suppe. Soviel Zeit haben wir auch wieder nicht.
Almkogel
Eine dreiviertel Stunde später machen wir uns schon wieder auf den Weg. Ich muss mich zu Beginn sehr motivieren, der Schweinsbraten hätte sich ein kleines Nickerchen gewünscht. Ich weiß nicht wie es den anderen diesbezüglich geht – aus Angst, dass wir dann alle einknicken, spreche ich das Thema nicht an. Kurz darauf ist Peter aber eh schon so weit vorne, dass er fast im Nebel verschwindet. Entweder will er sich möglichst schnell der Versuchung eines Mittagsschläfchens (in der Ennser Hütte) entziehen, oder er teilt nicht meine diesbezügliche innerliche Zerrissenheit. Veronika flucht leise ob des rutschigen, weil schlammigen Weges hinter mir und scheint ebenfalls anderen Gedanken anzuhängen.
Schon 25 Minuten später sind wir am Wegkreuz oben, zu dem wir nach dem Abstieg vom Almkogel zurückkehren müssen. Daher lassen wir unsere Rucksäcke dort.
Wie bei der Ennser Hütte angeschrieben, gehen wir exakt 45 Minuten auf den Gipfel des Almkogel.
Schon am Weg herauf hat sich uns ein durch Sonne, Wind und Nebel dauernd änderndes Bild der angrenzenden Gebirgszüge gezeigt: Das Hochkar gleißt über dem Nebel in der Ferne in der Sonne, das Gesäuse erscheint und verschwindet, im Ganzen und in Teilen. Südöstlich von uns in ähnlichem Spiel die Berge des Nationalparks Kalkalpen.
Peter ist fast ein bisschen ausser sich und versucht so viel wie möglich von der Stimmung fotografisch festzuhalten, während sich Veronika einfach hinsetzt und die verschiedenen Stimmungsbilder genießt.
Ich bin vom Panorama genauso beeindruckt und begeistert, wie meine beiden Bergkameraden – zusätzlich ist mir in meinem kurzämligen Bahn-zum-Berg-Merinoshirt aber kalt. Wäre ich ein bisschen schlau gewesen, hätte ich mir eine Jacke aus meinem Rucksack mitgenommen. „Schlau“ ist aber nicht meine Stärke…
Da ich den beiden nicht die schönen Momente zerstören will, leide ich still vor mich hin. Schließlich gehen wir los und jetzt bin ich es, der das Tempo vorgibt.
Burgspitz
Bei den Rucksäcken angekommen, werden diese geschultert und der letzte Anstieg des heutigen Tages in Angriff genommen – hinauf zum Burgspitz (1.429m).
Da die Sonne jetzt hinter uns scheint und vor, sowie unter uns, noch immer Bodennebel liegt, beobachten wir eine Glorie, bzw. ein Brockengespenst.
Nach dem Kammeis im Aufstieg, den Nebelspielen der Gebirgszüge am Almkogel ist das ein weiteres Highlight des Tages für mich! (Der aufmerksame Leser wird das Fehlen des Schweinsbratens in dieser Aufzählung wohl bemerkt und seine Schlüsse daraus gezogen haben!)
Abstieg nach Kastenreith
Nach dem Burgspitz gehen wir hinunter und tauchen fast sofort wieder in den Nebel ein. Uralte Buchen säumen unseren Weg und bieten uns ein klassisch herbstliches Stimmungsbild.
Der Abstieg bis zur Stallburgalm ist im oberen Teil steil und nicht gefroren. Das bedeutet, dass es extrem rutschig ist. Ich sage nur so viel: Veronika flucht leise und ich habe genug mit mir selbst zu tun, statt mich darüber zu amüsieren. Peter verlangsamt der Schlamm anscheinend nicht – er ist weit vorn und muss immer wieder auf uns warten.
Ab der Stallburgalm gibt es eine Forststraße. Direkt unter der Alm kürzen wir eine Kehre durch den Wald ab, bleiben danach aber auf der Straße bis wir zwischen Küpfern und Kastenreith heraus kommen.
Die Sonne geht um 16:30 unter – eine halbe Stunde gehen wir noch in der Dämmerung – bevor wir unsere Stirnlampen herausholen und die letzte Stunde mit Lampen am Kopf marschieren.
Ich freue mich ehrlichgesagt an den ersten erleuchteten Häusern vorbei zu kommen, weil ich schön langsam müde werde. Die letzte halbe Stunde entlang der Enns zum Bahnhof Kastenreith stellen noch einmal eine gewisse Überwindung dar!
Vom Gipfel des Almkogel bis zum Bahnhof Kastenreith waren wir recht genau 4 Stunden unterwegs.
Insgesamt sind wir etwas mehr als 1.300 Höhenmeter hinauf und 1.600 Höhenmeter hinunter gegangen. Dafür haben wir – mit allen Pausen – 8 Stunden benötigt, so dass wir um 18:00 am Bahnhof Kastenreith ankommen.
Tourdaten
Fazit
Die erste Bahn zum Berg Autorenwanderung war vielleicht eine schwierige Geburt, hatte dann aber wirklich von allem etwas dabei: Bahn, Bus, Taxi, Nebel, Schnee, Schlamm, Sonne, Dunkelheit, geschlossene und geöffnete Hütten, damit sowohl Kälte, als auch Wärme, Kammeis und Glorie! Halleluja!