Es ist Ende Oktober. Ein goldener Herbsttag steht bevor. Ich habe mich dazu bereit erklärt, meinem Bruder bei seiner Haus-Baustelle am Hansberg zu unterstützen. Sie haben sich vorgenommen, ein über hundert Jahre altes Bauernhaus zu renovieren. Da unsere Arbeit schon am Nachmittag für beendet erklärt wird, nütze ich die Gelegenheit und starte mit meinen alten Wanderschuhen (mittlerweile umfunktioniert zu Baustellen-Böck‘) den Rückweg zum Zug durch die Natur. Eine scheinbar unspannende Sonnenwanderung mit einigen Überraschungen beginnt.
Ich starte in der Früh mit der Mühlkreisbahn in Richtung Oberes Mühlviertel. Da die direkte Busverbindung nach St. Johann am Wimberg – besonders an Feiertagen – sehr dürftig ist, steig ich schon in Gerling aus und fahre die restliche Strecke mit meinem Bruder im Auto mit. Es gibt aber auch (leider sehr wenige) Schnellverbindungen per Bus mit zirka einer halben Stunde Fahrzeit. Andere Linien benötigen knapp eine Stunde vom Donautor/Hinsenkampplatz weg.
Entlang des jungen Pesenbachs
Ohne viel zu planen gehe ich vom Hansberg aus los und finde gleich den ersten Wanderweg mit einem Kraftplatz in der Form eines alten Baumes. Über die Wiesen geht‘s kurz in den Ort, ehe ich den Mühlenweg entdecke. Ich lasse mich treiben, folge der ungefähren Richtung: Irgendwo bei Kleinzell oder Niederwaldkirchen möchte ich ankommen, denn da gibt es wieder die Möglichkeit, in die Mühlkreisbahn einzusteigen.
Im Rücken der Kirchturm von St. Johann – vulgo Saunkt Hauns. Vor mir Wald, Wiese und unten in der Senke ein Teich, gefolgt von einem kleinen Bach.
Warum dieser Weg Mühlenweg heißt, wird mir erst später bewusst: Auf dem Weg liegen einige aufgelassene Mühlen aus früheren Zeiten (ja, wir befinden uns im Mühlviertel). Zum Beispiel für mich eher unscheinbar: Die alte Steinmühle. Man folgt immer dem Bachlauf – teilweise gehts auch rauf in den Wald – bis man zur Hansbergunde kommt. Danach geht es auf der Wanderroute „Mühlenweg-Steinbach (N2)“ munter weiter.
Und mit Verzögerung merke ich, dass es der Pesenbach ist, der jetzt neben mir herfließt. Das Langzeitgedächtnis funkt mich an: Archiv „Sachunterricht Volksschule, irgendwann in den 90ern“: Der Pesenbach entspringt in St. Johann. Aja. Ich kenne den Fluß im unteren Teil sehr gut und verbinde viel mit dem Wasserlauf. Seinen großen Moment hatte er im Jahr 2002, als er zu einem reißerischen Strom wurde und für große Überschwemmungen gesorgt hat. Aber heute ist alles still. Hier ist er gar noch ein kleines Rinnsal. Aber schon genauso reizend wie im bekannten Pesenbachtal zwischen Gerling und Bad Mühllacken. Ich bin mutig und nenne diesen wunderbaren Platz ab sofort „Junges Pesenbachtal“.
Ich komme schon wieder zu einem Kraftplatz. Irgendwo steht mal wieder ein altes großes Gebäude. Vielleicht auch eine alte Mühle? Laut Karte müssten es mindestens drei gewesen sein, an denen ich vorbeigekommen bin. Sonst? Viel Ruhe, viel Gegend und ganz wenige PassantInnen. Dann der Himmel: Heute im schönsten Blau, das man sich vorstellen kann.
Bei Steinbach komme ich an einer Wanderkarte vorbei. Witzigerweise erkenne ich das Design eines Wanderführers, den ich selbst mal gestalten durfte, als ich noch in einer Mühlviertler Werbeagentur gearbeitet hab. Es ist offenbar ein gerne eingesetzes und zeitlos verwendbares Design geworden. Das gelingt einem auch nicht immer. 😉
Richtung Kleinzell im Mühlkreis
Leider endet die Karte an der Gemeindegrenze von Niederwaldkirchen und ich frage mich, wo ich weitergehen soll, wenn ich Richtung Kleinzell im Mühlkreis wandern möchte. Ich nehme also den Routenplaner am Smartphone zur Hilfe. Er leitet mich in Richtung Bahnstation bei der Zeller Kreuzung. Kann mich grob orientieren, marschiere weiter, verlasse den Pesenbach über eine schöne kleine Brücke. Sie ist nicht ohne Weiteres zu sehen, weil sie ein bisschen versteckt und etwas privat wirkt. Tipp: Einfach kompromisslos am (heute ohnehin geschlossenen) Gastgarten vorbeigehen.
Typisch für die Region geht’s von Vierkanter zu Vierkanter. Irgendwo in Baumgartsau sehe ich eine große Gruppe von Rindern den Hang runter galoppieren. Man merkt, dass ihnen das Traumwetter ähnlich viel Freude bereitet wie mir. Ein Bilderbuch-Moment.
Die letzten Kilometer verlaufen leider großteils entlang von Gemeinde- und Landesstraßen, die heute zwar nicht stark frequentiert sind, aber trotzdem nicht wirklich angenehm zu passieren waren. Wer die Region kennt, der weiß, dass im Bezirk Rohrbach das Auto regiert. Das lässt man einem Zufußgehenden auch gerne spüren: Überholen mit teils deutlich über 100 km/h freilich ohne dabei den Abstand zu erhöhen ist keine Ausnahme.
So endet meine Tour am Bahnhof Kleinzell – beziehungsweise an der sogenannten „Zölla Kreizung“ bei Witzersdorf. Ich bemerke, dass die Mühlkreisbahn aufgrund von Gleisarbeiten heute gar nicht mehr verkehrt, und nehme deshalb den Schienenersatzverkehrsbus nach Linz. Dazu muss ich auf die andere Straßenseite. Nehme also mein Leben in die Hand und überquere die B127. Unglaublich was man den Busfahrern (Schüler, Ältere, Bsuffs ohne Führerschein) hier zumutet. Nicht zum ersten mal denke ich mir: Ein Witz. Kein Wunder, dass da kaum jemand mit Öffentlichen fahren will. Es überwiegt aber die Freude über die tollen Eindrücke der kleinen Tour durch die prächtige Landschaft.
Im Bus sitzend geistert es durch meinen Kopf: „Sowas solltest du bald wieder machen“. Und so musste ich gar nicht lange warten: Die nächste Bahn-zu-Berg-Tour ging sogar schon am nächsten Morgen los!