(Säuleck 3086m – Zsigmondykopf 3150m – Trist ‘n 2929m)
Diese viertägige Herbsttour wird wohl kaum jemand in gleicher Weise wiederholen. Die Reportage soll anregen, auch anhand der gebotenen Information eigene Pläne zu schmieden…
Mein Bruder und ich starten Freitag, 13.10.23, um 6:12 von Salzburg nach Mallnitz.
Die uns bereits bekannte Taxi-Chauffeurin braust in rekordverdächtigem Tempo zum Wanderparkplatz Dösental: „Ich hab dann gleich noch eine Fahrt…“
Trotz zusätzlicher 15 kg am Rücken (Kletterausrüstung, Kocher, Proviant für vier Tage…) sind wir gegen 10:45 Uhr beim Dösener See. Sommerwetter.
Wie wäre es mit dem Klettersteig aufs Säuleck?
Bei der Abzweigung des Eisenwegs vom Normalweg machen wir ein Rucksackdepot. 1 ½ Stunden später sitzen wir auf der Gipfelbank des Säulecks. Der Klettersteig ist gut gepflegt und nahezu steinschlagsicher angelegt. Da das Stahlseil immer wieder eng am Felsen anliegt, stelle ich mir die Begehung mit korrektem Klettersteigset noch kraftraubender vor als ohne…
Ein – von unserer Warte ausgesehen – junger Mann kommt über den Normalweg herauf. Er ist zwei Stunden nach uns – allerdings direkt vom Bahnhof! – gestartet und heute in Amstetten in den Zug gestiegen. Vier Stunden vom Bahnhof aufs Säuleck: nicht schlecht! Ich weise ihn auf BzB hin.
Mit vollem Gepäck geht es dann über die Mallnitzer Scharte (letztes SMS nach Hause – ab hier kein Netz mehr)
zunächst über ein Block-Trümmerfeld (bei Nässe, Nebel, Schnee wohl sehr unangenehm) und dann über einen schönen Steig (offenbar wenig begangen) zur Gießener Hütte.
Das Winterraum-Häuschen bietet Lager (Matratzen und Decken) für ca. 12 Personen, einen Ofen, elektrisches Licht (von einer Autobatterie gespeist), Geschirr und Wasserkanister. Eine Toilette und eine Quelle sucht man vergebens. Ich nehme zwei Kanister und gehe den Weg, den wir gekommen sind, zurück, bis zu einer geeigneten Wasserentnahmestelle. Direkt vor dem Hüttchen zeugen Hinterlassenschaft davon, dass hier jede Menge Kühe ihre Notdurft verrichtet haben…
Unser Gaskocher nimmt seine wärmend-nährende Rolle bestens wahr.
Zwei junge Männer sind den „Traumfänger“ (Hochalmspitze S-Grat; Schwierigkeit 7) geklettert und leisten uns Gesellschaft…
Auch der Samstag begrüßt uns mit herrlichem Wetter.
Auf schönem Steig geht es hinauf auf den Winterleitenkopf, und dann (Titelfoto) über den Winterleitengrat zum Zsigmondykopf. Vier oder fünf Mal klettern wir am Seil (30m Seil und ein paar Friends haben wir mit), die anderen Passagen sind Blockgelände oder schöne Gratkletterei im II Schwierigkeitsgrad. Das Topo aus bergsteigen.com und die Beschreibung aus Maltatal Rocks erweisen sich als dienlich. Wir brauchen weder Handschuhe noch Windjacke: bei sommerlichen Temperaturen und Windstille ist diese Tour ein Hochgenuss, bei Nässe (Flechten auf den Felsen) hätten wir umgedreht. Nach gut vier Stunden erreichen wir den Gipfel. Mittlerweile sind Wolken in hohen Schichten aufgezogen, kalte Luftmassen sickern heran. Wir nützen ein Band links, an der W-Seite der „Steinernen Mannln“ um zum Klettersteig zu kommen… so richtig wildes Gelände…
Die Hochalmspitze lassen wir angesichts des Wetters und der gestrigen 10-Stunden-Tour aus.
Am dicken Stahlseil geht es über spektakulär kompakte, schön gezeichnete Granitwände zu den Resten des Tripp-Keeses. Das letzte Stückchen dient ein fixiertes Kletterseil als Halt. Wir stellen uns vor, hier mit dem schweren Rucksack für eine Hüttentour, ev. bei Nässe, hinaufzumüssen… Nach den Erfahrungen am Säuleck würde ich die Passagen mit D bewerten…
Über Block-Gewirr, weglos von Markierung zu Markierung (ähnlich dem Abstieg von der Mallnitzer Scharte) geht es, teilweise im Nebel, zurück zur Gießener Hütte. Im Winterraum sind Schlafsäcke und manch anderes deponiert. Gegen 19:30 Uhr sehen wir Stirnlampen von der Hochalmspitze herunterkommen: zwei Pärchen aus Polen können nun den Detmoldergrat ihr Eigen nennen – sie machen sich am Sonntag um 2 Uhr auf den Weg: „We have to vote!“ – es sind Parlamentswahlen…
Sonntag, 15.10.2023: Die donnerstags im Wetterbericht in Aussicht gestellten Schneeschauer sind – für uns erfreulicher Weise – ausgeblieben; wohl aber hat sich kalte Luft durchgesetzt. Wir wandern auf schönem, kaum begangenem Weg zum Kapónigtörl. Am letzte Stück in die Scharte erwarten uns abermals die riesigen Blöcke. Nun doch immer wieder leichte Schnee- oder Graupelschauer. Dennoch: Neben dem Törl steht die Trist´n (d.h. in etwa: Heuschober). Die Rucksäcke bleiben in der Scharte. Über Blockwerk geht es an den Gipfelaufschwung: Welch Überraschung: Ein Stahlseil macht die Platte (II) auch bei Nässe problemlos passierbar.
Der Abstieg aus dem Törl am Reißeck-Höhenweg stellt den Gipfelpunt an Block-Labyrinth dar…
Dann aber: schön gelegte Platten, Treppen, Seen –
tiefe Einsamkeit, Sonne, das Kapónig Biwak,
ein sauberer Unterstand, Säcke mit Decken hängen zum Schutz vor Mäusen an den Wänden: eine wahrlich wunderschöner Etappe unserer Tour, wild und lieblich zugleich.
Gegen 18 Uhr beziehen wir – diesmal allein – unser Quartier im Arthur-von-Schmid-Haus: prächtige Veranda mit Seeblick, Plumpsklo mit von einem Bewegungsmelder gesteuertem Nachtlicht, Herd, Wasserquelle hinter der Hütte am Aufstieg zum Säuleck und aufgefüllte Kanister in Winterraum.
Nur elektrisches Licht in der Stube könnte diese Bleibe noch nobler machen…
Montag: In der Nacht hat es geschneit, 1cm, windverblasen.
In knapp drei Stunden wandern wir zum Bahnhof Mallnitz und besteigen um 12:04 Uhr – erfüllt mit Eindrücken und erst noch zu verarbeitenden Erlebnissen – den fast leeren Zug.
Bei entsprechendem Wetter und passender Motivation können sich Bergbegeisterte den einen oder anderen Herbsttag in den Bergen nicht entgehen lassen. Dem wegverwöhnten Wanderer werden die, aus bis zu wohnwagengroßen (!) Blöcken bestehenden Trümmerfelder (Mallnitzer Scharte, Abstieg von den Steinernen Mannln, Kapónigtörl) unangenehm in Erinnerung bleiben oder gar unbezwingbar erscheinen. Bei Nebel und/oder Nässe bzw. Schnee werden sie auch dem erfahrenen Bergsteiger seinen Grenzen näher bringen. Die Netzabdeckung ist speziell im Gößkar (Gießener Hütte) kaum/nicht gegeben. Wo es möglich war, haben die Altvorderen unter unvorstellbaren Mühen herrliche Wege geschaffen, die noch Generationen von Alpinisten dienen mögen.