Der Breitenkopf und seine urige Hütte

Anspruchsvoller Gipfel mit Selbstversorger-Übernachtung und weitgehender Ruhe in einer sonst sehr frequentierten Gegend.

Zugegeben: diese Tour ist nichts für die breite Masse – sowohl was den Gipfel (IIer-Kletterei in brüchigem Fels) als auch was die Kapazität der Selbstversorgerhütte (4 Matratzen) angeht. Für halbwegs ambitionierte, erfahrene Bergfexe jedoch tut sich hier die Möglichkeit einer ganz speziellen Bergerfahrung auf. Variante: Mit einem Besuch unter der Woche und Verzicht auf den Breitenkopf selbst wäre es aber auch eine sehr schöne, reine Wandertour und das bei wenig Nervenkitzel bezüglich Hüttenüberbelegung.

Steckbrief

  1. Tag: Bushaltestelle Ehrwald Almbahn Talstation – Breitenkopfhütte und Abstecher zum Breitenkopf;
    11 km, +1400/-500 hm, brutto 7 Std.
  2. Tag: Breitenkopfhütte – Hinterer Tajakopf – Biberwier;
    13 km, +700/-1700 hm, brutto 5 1/2 Std.

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Alles außer fern“ – so der geniale Tourismus-Werbespruch der Region. Ein Stück ist es aber doch ins Außerfern, von Innsbruck gelangt man am besten mit der Karwendelbahn über Garmisch-Partenkirchen dort hin. Die Fahrt über die beeindruckend angelegte Trasse, die aus dem Inntal hinauf ins Seefelder Becken führt, ist – zumindest für Nicht-Tiroler wie mich – schon ein Erlebnis für sich. Nach 1 Stunde und 20 Minuten ist man in Garmisch-Partenkirchen und dann geht es mit einer deutschen Garnitur noch 25 Minuten bis zur Haltestelle Ehrwald Zugspitzbahn Bahnhof. Von dort fährt optimal vertaktet die Buslinie 1 in rund 10 Minuten direkt zur Talstation der Ehrwalder Almbahn auf rund 1.100 Metern.

Aufstieg zur Breitenkopfhütte

Mit dieser Kabinenbahn könnte man die 400 Höhenmeter bis zur besagten Alm hinauffahren, um von dort zu starten. Im vorliegenden Fall wird aber die „ehrlichere“ Variante gemacht, und es geht in südöstlicher Richtung (von der Lifttrasse halbrechts) den Wanderweg und dann den Immersteig, der ein paar versicherte Stellen aufweist, hinauf. Dann geht es eine für den Radverkehr freigegebene Forststraße Richtung Igelsee. Dieser ist jedoch nur ein periodischer See und „See“ ist bei diesem Besuch nicht der passende Begriff, sondern eher würde Schlammlacke passen. Laut Einheimischen, mit denen ich ins Reden komme, sei der See die letzten Jahre aber praktisch nie wirklich ein See gewesen.

Am südöstlichen Ende des in den Karten eingezeichneten Sees ist von der Fortstraße dann die unscheinbare, nur durch einen Steinmann erkennbare „Abzweigung“ zum Steig auf die Breitenkopfhütte. Ist diese aber einmal gefunden, ist der weitere Verlauf aufgrund des eindeutigen Weges dann eine klare Sache. Am Anfang des Weges ist ein Holzdepot, bei dem man angeregt wird, zwei Scheiter Holz auf die Hütte mitzubringen, damit man es oben warm habe. Ich verdoppele und gehe frohen Mutes weiter.

Nach dem Einzugsgebiet der Almbahn und der Mountainbike-Routen mit entsprechender Frequenz beginnt nun der einsame Teil dieser Tour. Es geht hinauf in das Igelskar, der Weg wird steiler, ist aber sehr anregend und wartet zu Beginn des Sommers mit einer reichen Vielfalt an Alpenpflanzen auf.

Auf gut 1.900 Metern ist dann rechtzeitig in einer scharfen Rechtskurve die Abzweigung nach links direkt zur Breitenkopfhütte zu nehmen. Weiter in schöner Einsamkeit und nach einem kupierten Abschnitt mit wenig Höhenmeterdifferenz ist nach rund 2 ½ Stunden die Quelle der Hütte erreicht (auf gut 1.960 Metern) und kurze Zeit später die Hütte selbst – die sehr interessant in die unmittelbare Umgebung eingebaut ist.

Als ich an diesem Samstag kurz vor Mittag auf der Hütte ankomme, ist nur ein Paar aus Coburg einquartiert und ein Tagesgast anwesend. Somit habe ich den dritten von vier (regulären) Schlafplätzen ergattert – Glück gehabt. Ich werde von den sympathischen Coburgern gleich mit einem frisch für mich gekochten Kaffee freundlich begrüßt und wir kommen ins Reden.

Die Breitenkopfhütte

Die Breitenkopfhütte ist eine urige, meiner Meinung nach einzigartige Selbstversorgerhütte der DAV-Sektion Coburg, die auf 2.040 Metern neben dem Schachteingang eines ehemaligen Bergwerks in den Felsen „eingebaut“ ist und bei einem Grundriss von 4 x 4 Metern lediglich vier Matratzenlager aufweist. Sie ist mit dem einheitlichen AV-Schlüssel zugänglich und kann nicht reserviert werden. Nicht zuletzt angesichts der verzeichneten Einträge im Hüttenbuch würde ich dringend empfehlen, unter der Woche oder zumindest nicht am Samstag zu kommen bzw. sehr früh oben zu sein (ich habe an einem Samstag den ersten Zug des Tages von Innsbruck um 6:38 genommen).

Weiter geht’s zum Breitenkopf

Doch was wär ein Besuch der Breitenkopfhütte ohne den Breitenkopf selbst? Eben, wahrscheinlich wie Tirol ohne das Außerfern… Also geht es – bei stabiler Wetterprognose – nach dem stärkenden Kaffee und dem Einrichten des Lagerplatzes weiter Richtung Gipfel. Dazu geht man ein kurzes Stück den Weg Richtung Brendlkar nach Westen und zweigt dann nach etwa 300 Metern nach links (oben) ab, wo man immer wieder, aber nicht durchgehend auf Steigspuren oder Steindauben trifft. Auf der AV- und der Outdooractive-Karte ist der Verlauf bis zum Grat aber gut eingezeichnet.

Achtung: Der Breitenkopf ist im oberen Abschnitt eine anspruchsvolle, ausgesetzte Kletterei im oberen II. Schwierigkeitsgrad – und das bei teilweise brüchigem Fels. Er sollte nur von Erfahrenen, Versierten angegangen werden, die sich im „normalen“ IIer-Gelände wirklich rundum wohl fühlen! Den diesbezüglichen harmlosen Schilderungen des AV-Führers ist ausdrücklich nicht zu vertrauen! („I und Gehgelände“, „… in die Scharte südlich des Gipfels. Von dieser wird der Gipfel ohne Schwierigkeiten erreicht.“)

Nach insgesamt etwa 4 ½ Stunden nach dem Losgehen bei der Bushaltestelle ist der Gipfel des Breitenkopfes auf 2.469 Metern erreicht. Auch wenn der Breitenkopf von der Höhe her wahrlich keine besonders markante Erhebung der Mieminger Kette ist – der Ausblick ist überaus lohnend! Gleich gegenüber im Norden ist der Stock der Zugspitze, unten im Nordwesten das Ehrwalder Becken, dahinter ragt der Daniel in die Höhe, im Süden strecken sich die Nordwände des Hochplattig empor (seines Zeichens mit 2.768 Metern der höchste Mieminger) und im Südosten ist die Hochwand eine mächtige Gestalt. Dazu kommt ein Gipfelbuch aus dem Jahre 1968 und der absolvierte Aufstieg – es ist schon ein besonderes Gefühl, hier oben zu sein!

Auf hikr.org z.B. gibt es detailliertere Beschreibungen zum Aufstieg: 1 (Jahr 2014), 2 (Jahr 2018).

Abstieg zur Hütte und Tagesausklang

Für den Abstieg ist dann nochmals besondere Aufmerksamkeit gefragt, gilt es doch die IIer-Stellen sicher abzuklettern. Nachdem das Gröbste geschafft ist, ist die Traverse über den Grat ein richtiger Genuss. Dann wartet noch der Schutt…

A breslerte G’schicht… vom Grat erfolgt der Abstieg ins Igelskar. Fotos: Manfred Hinteregger
A breslerte G’schicht… vom Grat erfolgt der Abstieg ins Igelskar. Fotos: Manfred Hinteregger

Erfüllt vom Gipfelerlebnis und in Vorfreude auf gemütliche Hüttenstunden ist das um 16 Uhr eine glückliche Rückkehr ins Quartier unterm Felsen!

Um ca. 17 Uhr treffen dann noch drei junge „Spezialisten“ auf der Hütte ein, die sich wundern, dass schon 3 von 4 Plätzen belegt sind. Holz haben sie keines heraufgetragen, aber sie haben Gaskocher, Isomatten und Schlafsäcke dabei und schlafen im Freien vor der Hütte.

Die Abendstunden sind gemütlich, vergehen schnell und wir gehen bald schlafen.

2. Tag: „Coburger Durchquerung“ und Abstieg nach Biberwier

Am nächsten Tag breche ich vor 6 Uhr auf – dies nicht zuletzt deshalb, um auch am zweiten Tag möglichst viel Bergruhe genießen zu können. Die Coburger haben mir am Vortag berichtet, dass bei ihrem Abstecher zur Coburger Hütte richtige Massen an Leuten am und um den Drachensee waren. Es gilt also, den Tagesausflüglern von der Almbahn zeitlich zuvorzukommen. Mit dem frühen Aufbruch geht das in meinem Fall voll auf: eine wunderbare Bergeinsamkeit bis kurz vor der Coburger Hütte.

Nur die Schafe sind schon wach… Foto: Manfred Hinteregger
Nur die Schafe sind schon wach… Foto: Manfred Hinteregger

Vom Igelskar geht es zunächst über die Scharte (2.079 Meter) unterhalb des Igelskopfes in das Brendlkar, dort traversiert man in teilweise brösligem Gelände, ehe man zum Ganghofersteig kommt, der hinauf zum Hinteren Tajatörl auf 2.259 Meter führt. Zum Hinteren Tajakopf (2.408 Meter, großes Gipfelkreuz etwas unterhalb) ist es ein kurzer Abstecher, dort wartet wieder eine schöne Aussicht – im vorliegenden Fall in wunderbarer morgendlicher Einsamkeit.

Zum Drachensee und zur Coburger Hütte geht es zunächst wieder zurück zum Tajatörl. Überschreitend direkt hinab führt nur ein Klettersteig mit D/E-Abschnitten – das mögen bitte wenn dann nur jene machen, die es wirklich drauf haben und wenn kein Gegenverkehr von unten ist…

Erst um den Drachensee begegne ich den ersten Leuten an diesem Tag, von Massen nicht ansatzweise eine Spur, auch nicht auf der Coburger Hütte selbst – die Übernachtungsgäste sind offenbar gerade dabei, nach dem Frühstück langsam losmarschierbereit zu werden…

Nach einer kurzen, erfrischenden Rast geht’s weiter Richtung Biberwierer Scharte. Dazu ist nochmals ein Anstieg von netto 83 Höhenmeter zu absolvieren, ehe es etwa 1.000 Höhenmeter bergab nach Biberwier sind.

Eine Freundin der Via Alpina und der runden Zahlen: die Biberwierer Scharte. Foto: Manfred Hinteregger
Eine Freundin der Via Alpina und der runden Zahlen: die Biberwierer Scharte. Foto: Manfred Hinteregger

Der Abstieg ist zunächst eher steil und teilweise schottrig, ab und zu kommen mir Leute entgegen. Nach der Fels- kommt die Latschenzone, und schließlich der Wald. Man kommt zum Knappensteig, der auch mit ein paar lehrreichen Informationstafeln zum ehemaligen Bergbau um Biberwier bestückt ist.

In Biberwier kann man dann für die Rückfahrt eine der vier Bushaltestellen zwischen Marienbergbahn und Kirchplatz anpeilen (Achtung: die Busse bedienen teilweise unterschiedliche Haltestellen!). Die Fahrt mit dem Bussen 150/160X über den Fernpass ist wohl nur unter der Woche und bei wenig Reiseverkehr zu empfehlen. Ansonsten ist der Bus Nr. 1 oder 5 nach Ehrwald, gefolgt von der Bahnfahrt über Garmisch, auch für die Rückfahrt die bevorzugte Option. Im vorliegenden Fall ist die Haltestelle Marienbergbahn rund 5 ½ h nach dem Aufbruch erreicht.

Fazit

Ein besonderes Schmankerl für kraxelnde Freunde des brüchigen Wettersteinkalks und von kleinen Selbstversorgerhütten! Wenn man den Breitenkopf auslässt und zu den „richtigen“ Uhrzeiten unterwegs ist, kann man jedoch in dieser Gegend auch als „normaler“ Wanderer wahrscheinlich zwei äußerst feine Tourentage erleben. Das noch dazu überwiegend in schöner Einsamkeit, die man im Einzugsgebiet des Drachensees vielleicht nicht für möglich gehalten hätte. Ohne Breitenkopf laut Outdooractive maximal T3 auf der SAC-Skala.

Tourdaten

Die Route in Zahlen:   2 Tage Wandern   2.200 HM   2.300 HM   24 km   GPX Track

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