Von Tschechien nach Finnland – und das im Waldviertel

Es gibt viel zu entdecken auf dieser Waldviertel Wanderung von über Gmünd, den Naturpark Blockheide und die Hoheneicher Teiche nach Pürbach. All inclusive: Lost Places, Bahn-, Stadt- , Landschafts-, Industrie- und Agrargeschichte. Nur keine Berge, wie an den wenigen Höhenmetern klar zu erkennen.

ACHTUNG: Bis 23. April 2025 ist zwischen Göpfritz und České Velenice ein Schienenersatzverkehr eingerichtet. Bei der Hinfahrt fällt das nicht ins Gewicht, aber auf der Rückfahrt ändert sich die Abfahrtszeit in Pürbach-Schrems, bitte überprüfen!

Mit dem REX 41 bis zur Endstation

„Langschläferfreundlich“ geht es mit der Franz-Josefs-Bahn von Wien-Heiligenstadt (um 08:34) los. Ich bin noch unentschlossen, was ich heute erleben möchte. In unserer BzB Mitglieder Whatsapp-Gruppe hole ich mir Rat :-). „Soll ich ihn Göpfritz aussteigen oder bis zur Endstation im Zug bleiben?“ Peter stellt eine ähnliche Frage, er ist gerade im Zug nach Leoben unterwegs. Sofort wird uns beiden die Entscheidung abgenommen. „Immer fürs Abenteuer entscheiden!“, schreibt Domi. Gut, dann bleibe ich in Göpfritz sitzen und fahre bis České Velenice, dem tschechischen Teil von Gmünd, heute eine eigene Stadt.

Alles einsteigen am Bahnhof Heiligenstadt. Fotos Veronika Schöll

Die Franz-Josefs-Bahn wurde Mitte des Neunzehnten Jahrhunderts gebaut und führte über den damaligen Bahnknotenpunkt Gmünd von Wien nach Prag. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Teil mit dem großen Bahnhof der ehemaligen Tschechoslowakei zugesprochen. In České Velenice befand sich außerdem die größte Eisenbahn-Reparaturwerkstätte der Monarchie. Wenn man auf der Hinfahrt aus einem der linken Zugfenster schaut, dann kann man riesige Werkshallen, Remisen und Nebengebäude entdecken. Ein Lost Place deluxe, aber leider gut bewacht. Im Zweiten Weltkrieg durch Bombentreffer und 1955 durch einen Brand endgültig dem Aus geweiht.

Bahnhof České Velenice außen und innen. Fotos Veronika Schöll

Über die Grenze

In České Velenice steige ich aus dem Zug. Der Bahnhof strahlt Monarchie- und Sovietcharme gleichzeitig aus. Interessante Mischung. Im Bahnhof gibt es eine sehenswerte Restauration. Für einen Snyt Gambrinus (kleinste Einheit Bier) wie in Znaim wars mir allerdings noch zu früh, ein fataler Fehler, wie sich später herausstellen wird und fotografieren hab ich mich nicht getraut. Das Influencer Gen fehlt mir leider völlig.

Allee zur Grenze. Fotos Veronika Schöll

Ich folge einer langen Allee und weiter der traurigen Victoraszka Straße Richtung Grenze. Nagelstudios, Bordelle und Gartencenter säumen diese Ausfallsstraße. Interessant, was das über menschliche Bedürfnisse aussagt. Die meisten „Shops“ sind aber geschlossen. Nur ein Gartencenter mit einer unglaublichen Auswahl an Gartenzwergen macht scheinbar gute Geschäfte.

Die Grenze und das anschließende Niemandsland erscheinen mir fast wie ein weiterer Lost Place auf meiner Waldvierteltour. Gmünd beginnt gleich nach der Staatsgrenze, ich folge dem Zentrums-Pfeil und besichtige die kleine hübsche Stadt, besonders das Schloss und die berühmten Sgrafitto Häuser aus der Renaissance bleiben in Erinnerung.

Gmünd und Malerwinkel. Fotos Veronika Schöll

Malerwinkel und Blockheide

2023 war ich schon einmal hier und habe mit meiner Mama die Wackelsteine im Naturpark Blockheide besucht. Wir haben aber versäumt, durch den Malerwinkel zurück zu wandern. Das hole ich heute nach. Zuerst überquere ich den Fluss Braunau und folge dem Pfeil „Blockheide“. Bei einer Straßenkreuzung beginnt rechts der hübsche Wanderweg (angeschrieben) entlang der Braunau durch den Malerwinkel und über den Kuhschelllenberg in den Naturpark Blockheide. Der monumentale Granitaufbau des Christoph-Steins und die romantischen Mondteiche liegen auf meinem Weg.

Christoph-Stein und einer der beiden Mondteiche. Fotos Veronika Schöll

Überraschungen in Hoheneich

Ich verlasse den Naturpark und wandere weiter nach Hoheneich, leider ein Stück entlang der B41 Schnellstraße. Kurz vor der Unterführung könnte man nach links abbiegen und die im Jahr 2023 geschlossene Backhausen Werkskolonie besuchen, wie mir erst nachher klar wird. Schade.

In Hoheneich. Fotos Veronika Schöll

Ich unterquere die B41 durch die Unterführung und nehme dann gleich die erste Möglichkeit auf der linken Seite nach Hoheneich. Nach dem Besuch der weithin sichtbaren Wallfahrtskirche und entdecke dort das Hinweisschild „Anderlfabrik – Fischersteig“. Neugierig folge ich der Markierung und gelange zurück zur Braunau und zum Fischersteig. Der führt entlang des Flüsschens zum riesigen Areal der Anderlfabrik, einer ebenfalls stillgelegten (2004) Textilfabrik, die Mitte des Neunzehnten Jahrhunderts gegründet wurde. Das herrliche Industriedenkmal ist scheinbar dem Verfall preisgegeben. Warnschilder sollen BesucherInnen vom Betreten abhalten. Das wirkt bei mir, allein traue ich mich da nicht rein und so luge ich nur durch die Fenster. Der Maschinenpark und die Einrichtung der Anderlwohnung wurden vermutlich bereits entfernt. Hier kannst du sehen, wie es bis vor kurzem innen ausgesehen hat.

Fischersteig und ein Teil der Anderlfabrik. Foto Veronika Schöll

Finnland

Die Werksstraße mündet in eine Forststraße und diese führt direkt zum Mitterteich, meinem nächsten „Ziel“. Ich möchte die Hoheneicher Teiche besuchen, diese wurden schon im Dreizehnten Jahrhundert zur Fischzucht angelegt. Im ersten und größten, dem Mitterteich kann man im Sommer baden, was ich mir als „Zetzerl“ echt überlegen würde, wird der Teich von sehr vielen dicken Karpfen bewohnt, die während meiner Besichtigung munter im Wasser plantschen. Außerdem die üblichen Verdächtigen: Reiher, Enten und Schwäne – fast ist es so als hätte jeder Wasservogel seinen Privatteich, so viele Gewässer werde ich am Weg nach Pürbach noch entdecken.

Am Mitterteich. Foto Veronika Schöll

Der Geruch nach Fisch und Harz, dunkle Wasserflächen und bemooste Nadelwälder lassen bei mir sofort die Erinnerung an Finnland erwachen, während ich versuche, so viele Teiche wir möglich zu besuchen. Achtung, es gibt nur eine verblasste Markierung, ich zumindest muss öfters aufs Handy-Navi schauen um nicht den Überblick zu verlieren.

Teichlandschaft zwischen Hoheneich und Pürbach. Fotos Veronika Schöll

Der letzte Teich auf meiner Route ist schon ganz nah beim Bahnhof Pürbach-Schrems. Nach so viel Wasser hab ich ordentlichen Durst. Aber erstens gibt es nirgends ein Geschäft oder ein Wirtshaus auf der Strecke, außer in Gmünd, und das Teichbuffet am Mitterteich wird wohl erst zur Badesaison öffnen. Zweitens ist meine Wasserflasche schon lange leer. Und drittens endet meine Wanderung mit einer zeitlichen Punktlandung am Bahnhof, zehn Minuten bevor der Zug nach Wien (um 15:21) kommt. Ich war sehr nah dran, die Damen, die in ihren Gärten in der Nähe des Bahnhofs werkelten, zu fragen, ob sie nicht ein Schremser für mich eingekühlt hätten. Nächstes Mal mach ich das!

Schön wars 🙂 Fotos Veronika Schöll

Fazit: Eine abwechslungsreiche, wenig anstrengende Entdeckertour im Waldviertel. Ein Mix aus Feldwegen, Forststraßen und Waldwegen, ein wenig Asphalt und ein kleiner Makel: Ich habe keine Einkehr am Weg gefunden. Also Jause und Getränke mitnehmen. Schöne Pausenplätze gibt es genug. Je nach Abfahrtszeit kann man aber auch schon in Gmünd einkehren. In Pürbach hat zumindest am Wochenende die Waldschenke Schreiber offen. Züge nach Wien von da alle zwei Stunden.

PS: Die Rückfahrt mit der Franz-Josefs-Bahn wird lange Zeit von einem mäandernden Flüsschen (links) begleitet, das ist die Deutsche Thaya, einer der beiden Quellflüsse der Thaya. In Raabs an der Thaya vereinigt sich die Deutsche mit der Mährischen Thaya. Bei Hohenau mündet die Thaya dann in die March. Eine Wanderung im Nationalpark Thayatal ist übrigens auch sehr empfehlenswert.

Tourdaten

Die Route in Zahlen:   4:30 Std Wandern   100 HM   100 HM   16 km   GPX Track

Ein Kommentar

  1. […] Im März 2025 bin ich mit dem Zug dann wirklich nach Ceske Velenice gefahren und über Gmünd, den Naturpark Blockheide und die Hoheneicher Teiche nach Pürbach gewandert – für alle die noch mehr Waldviertel Spirit erleben wollen: Von Tschechien nach Finnland – und das im Waldviertel. […]

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