Der Outdoorkleidungstest und meine Liebe für Direktbusse
Weihnachten. Mein Partner hat sich grad mit Outdoor-Kleidung neu eingedeckt und möchte diese gerne testen. Das Wetter in Wien: Naja, geht so. Bewölkt, ein paar Plusgrade, nicht wirklich schön winterlich. Wir suchen eine Tour für den Test des Winterwanderoutfits, ein bisschen Schnee wäre also schon super.
Als ich den Direktbus von Wien nach Mariazell finde, der in Annaberg hält, bin ich sehr zufrieden. Die Wettervorhersage für Annaberg: Windig, real feel -12 Grad, bewölkt, laut Webcam aber zumindest verschneit. Also brechen wir auf. Trotzdem. Und es wird eine echte Trotzdem-Wanderung.

Durch Mark und Bein
Ich liebe Direktbusse. Was ich nicht liebe, sind Abfahrten um 7 Uhr morgens, noch dazu im Winter. Da die Haltestelle „Annaberg“ der Mariazellerbahn aber 1,5 Stunden zu Fuß vom Ort entfernt liegt und wir vom Ortszentrum aus unsere Wanderung starten wollen, haben wir nicht wirklich eine andere Option. Immerhin starten wir nicht um fünf Uhr achtundfünfzig, wie bei der letzten – aber eh auch sehr tollen! – Mitgliederwanderung in den Ausläufern des Hochschwab.
So stehen wir um 7 Uhr bereits am Hauptbahnhof, richten es uns gemütlich im fast leeren Bus ein und lassen uns 2,5 Stunden lang durch die Landschaft schaukeln.
Die Ankunft in Annaberg ist gleich ziemlich dramatisch: Ich steige, etwas schlaftrunken aus, bemerke im letzten Moment noch die völlig vereiste Bushaltestelle, gebe die Info an meinen Partner weiter. Dann geht alles in Sekundenschnelle: Eine Frau läuft von links auf den Bus zu, ich rufe ihr zu „Nicht laufen!“ und dem Busfahrer „Bitte warten Sie, da möchte noch jemand einsteigen!“ Da ist es schon passiert. Sie rutscht aus, knickt um, das Geräusch geht uns durch Mark und Bein. Ihre Schmerzensschreie danach dauern lange, ich halte sie und sage ihr immer wieder „Atme mit mir. Langsam atmen!“ Ihr Mann kommt ihr nach, ich schreie noch „NICHT laufen! Da ist alles Eis!“, da fällt auch er hin. Gott sei Dank passiert ihm nichts. Die Tochter der beiden beginnt ob dem sehr erschütternden Anblick ihrer Mama sehr zu weinen, ein Straßenarbeiter kommt und erkundigt sich, der Busfahrer fährt dann doch weiter. Es ist eine wilde Szenerie.
Wir warten mit ihr gemeinsam noch auf die Rettung, mir wird kalt (und ihr erst recht!), so am Boden sitzend. Es pfeift der Wind und ihr Knöchel oder wahrscheinlich ihr ganzer Fuß ist fies gebrochen. Ich kann sie und ihre Schmerzensschreie den ganzen Tag nicht mehr vergessen.
Schritt für Schritt in Richtung Tirolerkogel
Als die Rettung abfährt, machen auch wir uns auf den Weg. Zuerst ziemlich bedröppelt.
Irgendwie hat uns nach diesem Unfall auf der Eisplatte fast die Lust verlassen. Ich erinnere mich daran, dass ich meine Grödel – schon wieder, wie damals auf der Kampalpe – nicht dabei habe und mich beschleicht ein ungutes Gefühl. Wir folgen dem Wegweiser Richtung Annaberger Haus und wandern los, trotzdem.
(An dieser Stelle eine klare Nicht-Empfehlung: Ich würde und werde keine Winterwanderung mehr ohne Grödel unternehmen! Mittlerweile habe ich sie im Keller auch wieder gefunden und sie sind fixer Bestandteil meines Rucksackes geworden.)

Das erste Straßenstück ist nicht fein, dauert aber keine 10min, danach führt der Weg schon in den Wald hinauf. Es ist verschneit und wir gehen vorsichtig, aber zum Glück ist es nicht eisig. So kommen wir langsam in einen guten Gehrhythmus und folgen der Forststraße, die uns bergan führt, in Richtung Tirolerkogel.
„Warum heißt es nicht Waldstraße?“, fragt mich H. und wir rätseln über seltsame schwierige deutsche Wörter. Irgendwann wird unser Plaudern weniger, weil der Weg jetzt doch recht steil wird und im Winter sowieso alles immer anstrengender ist. Wir atmen also mehr und reden weniger. Noch 20 Minuten, das hört sich gut an. Das Frühstück liegt gefühlt schon wieder viele Stunden zurück.

Die Gegend ist schön verschneit und nein, die Sonne kommt auch jetzt nicht raus. Das haben wir aber auch nicht erwartet. Wir machen so wenige Fotos wie möglich, weil der Wind, der uns oben beim Annaberger Haus auf den Freiflächen erwartet, jedes Hervorkramen des Handys brutal kalt und schmerzvoll gestaltet. Eisig! Real feel, ja, da war doch was. Es ist aber schön. Trotzdem!
Eine kleine Hütteneinkehr beschert und eine Pause im Warmen und Kaspressknödel. Es ist wenig los, an diesem Mittwochvormittag und wir freuen uns über das Weiß draußen (auch wenn es sowohl den Himmel als auch die Berge abdeckt) und die Wärme drinnen.

Eisige Wangen und ein kurzes Gipfelglück
Nach unserer Mittagspause ziehen wir los und finden es gleich ziemlich kalt. Der Wind beißt im Gesicht und es rasen immer wieder starke Böen über die Freifläche am Tirolerkogel (1.377 Meter), was unsere Wangen frieren lässt. Mein Wunsch deshalb: Möglichst schnell zurück in den Wald! Mein Partner aber so: Wie, wir gehen gar nicht mehr höher rauf? Da ja Weihnachten ist, erfülle ich ihm den Wunsch und wir drehen noch eine kleine Ehrenrunde oben. Die Sicht ist nicht besser und es ist kalt, aber es ist ja auch eine „Trotzdem-Wanderung“ 😊

Dann eben doch bis Türnitz!
Dann merken wir beide, dass uns die Orientierung bei der Schneelage und im Winter mit all dem Weiß rundherum schwerer fällt und wir brauchen einige Zeit, den Wanderweg zu finden.

Dann geht’s weiter über die Karnerhofspitze, wobei mein Plan eigentlich war, danach eine Runde zu drehen und zur B20 und damit auch zur Bushaltestelle beim „Urlauberkreuz“ abzusteigen. Der Transparenz wegen: Wir verfehlen den Abstiegspfad in dem Winterweiß und als wir uns wieder richtig orientieren können, sind wir schon viel zu weit, um nochmals „zurück“ zu gehen. Der nächste Wegweiser lockt uns nach: Türnitz, also ohnehin an derselben Busstrecke (Buslinie Wien-Mariazell). Mit Blick auf die Zeit und die noch fehlenden Kilometer legen wir einen Zahn zu und steuern Türnitz an.
Der Weg geht im Wald auf und ab und abgesehen von den 2-3 Kilometern, um die sich unsere Tour gerade verlängert (im Vergleich zur ursprünglich geplanten), werden es auch deutlich mehr Höhenmeter, als ich meinem Partner versprochen hatte. Er wandert aber frohen Mutes hinter mir her, trotzdem.

Bei Schildbachrotte treffen wir auf die Straße, was gut ist, weil es eh gerade dunkel wird.

Wir kommen in den Ortsteil Schildböck, überqueren die Traisen und erreichen das nette Zentrum von Türnitz.

Türnitz: 3x nett und 1x nicht so nett
Da wir ein bisschen Wartezeit überbrücken müssen, drehen wir eine Runde und finden drei nette und eine weniger nette Sache. Die weniger nette: Im Gasthof Pfannstube will man uns nicht bedienen und sagt uns ohne Begrüßung „Leider kein Platz mehr“. Wir hätten auch nur einen Kaffee an der Bar getrunken, finden diesen Satz aber nicht so fein und haben danach auch keine Lust mehr auf eine Konsumation dort. Eine Nicht-Empfehlung in diesem Fall für den Gasthof. Schade. Ich supporte gerne die lokale Gastronomie, aber: nicht so!
Dafür drei nette Dinge:
- Eine öffentliche Toilette direkt bei der Kirche, die in mehreren Sprachen als solche ausgeschildert ist.

- Eine äußert gut sortierte ehemalige Telefonzelle mit Büchern zum Geben und Nehmen.
- Und ein Raiffeisenbank-Selbstbedienungsfoyer direkt bei der Bushaltestelle, völlig überheizt, mit zwei bequemen Sesseln. Ein wahrer Genuss für müde Menschen, die sich einen warmen Warteplatz herbeigesehnt haben!

Fazit
Eine lohnenswerte Trotzdem-Wanderung! Sehr nette Hütte, gute Direktanbindung von Wien, süßes Städtchen Türnitz am Ende und ein schönes Auf und Ab im Wald rund um Annaberg. Ich war letztlich froh, dass wir den Ursprungsweg verpasst haben und bis Türnitz gegangen sind – das kannte ich so noch nicht.
Bei besserer Sicht und weniger Eisplatten ist die Wanderung sicher noch schöner. Auch wir haben sie aber genossen. Trotzdem!

Alle Eindrücke und Schilderungen sind sehr gut nachvollziehbar!!!