Ich und die Rax II: Dem Hagel entwischt (Wachthüttelkamm rauf und Gsolhirnsteig runter)

Es wird der Gsohlhirnsteig. Foto: Sarah Pallauf

Kein schwarzes Loch mehr!

In meinem ersten Tourenbericht über die Rax (Aufstieg Reißtalersteig / Abstieg Waxriegelsteig) habe ich bedauert, dass ich die Rax nicht früher entdeckt hatte und mir für diese Reue ein schwarzes Loch gewünscht. Nun liegen mehrere Rax-Touren hinter mir und ich brauche kein schwarzes Loch mehr. Hier kommt damit der zweite Tourenbericht aus meiner Serie „Ich und die Rax“. Viel Freude damit!

Wir sind die Tour im Sommer gegangen, es ist aber sicher auch eine sehr schöne Frühlings- oder Herbsttour – bitte achte aber auf die Schnee- und Wetterlage am auf der Rax (Webcams), bevor du sie nachgehst.

Diesmal wandere ich mit meiner Freundin K., mit der ich jedes Jahr aufregende Mehrtagestouren in verschiedenen Regionen mache. Schon seit längerem haben wir eine (weitere) Überschreitung im Toten Gebirge vor, leider ist es auch diesen August zu sommergewittrig. Ich kann sie aber mit meiner Rax-Euphorie anstecken und so wird es eine Eintagestour auf die Rax.

Wir starten gemeinsam in Wien Meidling und haben von Anfang an den Wetterbericht im Auge, denn auch im Osten soll es Gewitter geben, allerdings erst ab Mitte des Nachmittags. Als wir in Payerbach-Reichenau in den „klassischen“ Wanderbus einsteigen, ist die Schlange zum Bus wie immer an Schönwetter-Wochenenden richtig, richtig lang. Ich poste ein Foto von der Warteschlange in unsere BzB-WhatsApp-Gruppe mit dem Kommentar „Die Sinnfrage muss sich dieser Busfahrer in jedem Fall nicht stellen.“

Auf die Rax über die vielen Leitern des Wachthüttelkammsteigs

Da es ja immer noch 19 Aufstiege auf die Rax gibt, die ich nicht kenne, testen wir wieder einen neuen. Diesmal wird es der Wachthüttelkammsteig, der mir schon mehrmals empfohlen wurde. Wir sind beide voller Vorfreude und Neugierde und steigen beim Weichtalhaus aus, gehen ein Stück der Schwarza und dann der Straße entlang, bevor wir uns bergan hinauf in den Wald schlagen, immer auf die Rax zu. Ein schönes Gefühl, die Gegend immer besser kennenzulernen. Die „andere Seite“ des Tales, also die Weichtalklamm, sind wir nämlich im Juni als BzB-Mitgliederwanderung gegangen.

Der Wachthüttelkamm ist ein „Klettersteig A“, aber aus meiner Sicht wirklich mehr ein steiler und vor allem langer Wanderweg auf die Rax, der viele (recht kurze) Leitern inkludiert, ansonsten keinerlei klassische Klettersteigelemente. Trittsicher und schwindelfrei sollte man natürlich trotzdem sein, da es immer wieder Tiefblicke gibt.

Leitern über Leitern am Wachthüttelkammsteig. Foto: Sarah Pallauf
Leitern über Leitern am Wachthüttelkammsteig. Foto: Sarah Pallauf

K. und ich kommen gut voran, müssen uns aber bald eingestehen, dass unser Energielevel heute keine 10 von 10 ist. Der Grund: Wir haben eine recht exzessive Wanderzeit hinter uns (K. war am Vortag in Oberösterreich in der Dr. Vogelgesang – Klamm bei Spital am Pyhrn, ich bin auf den Spuren unserer Tourenreporterin Alice in Hallein gewandert). Kurz gesagt: Die Müdigkeit sitzt uns in den Oberschenkeln.

„Wie weit kann es eigentlich noch sein?“

Der Steig ist tatsächlich wunderschön, abwechslungsreich durch die vielen Leitern, spannend, mit immer wieder richtig schönen Ausblicken. Aber was er auch ist: Lang! Zugegeben, als wir langsam den felsigen Abschnitt verlassen und damit auch die ersten 600 Höhenmeter hinter uns gelegt haben, fehlen immer noch knapp 400 Höhenmeter und die ziehen sich ganz schön. Auch wenn der Weg nach wie vor schön ist – jetzt durch den Wald geht und ein normaler Wanderweg ist – geht er auch stetig weiter bergauf und irgendwann höre ich mich sagen: „Das gibt’s doch nicht! Wie weit kann denn das noch sein?“

Meine Oberschenkel sind äußerst zufrieden, als wir dann doch irgendwann oben sind. Ich liebe das Rax-Plateau in diesem Moment sehr und habe erst mal keine Lust auf Höhenmeter. Wirklich am Plateau sind wir aber erst, als wir den Windlochboden erreichen.

Endlich oben und das Ottohaus ist schon in Sichtweite. Foto: Sarah Pallauf
Endlich oben und das Ottohaus ist schon in Sichtweite. Foto: Sarah Pallauf

Dunkle Wolken und tiefe Ausblicke

Dort sehen wir uns nochmals konzentrierter um – und werfen einen besonders genauen Blick auf die Wolken rund um uns herum. Das Schönwetter soll nämlich nicht halten und es sind Gewitter angesagt, für den mittleren bis späten Nachmittag. Noch scheinen sich die Wolken nur sehr langsam anzuhäufen und wir sind erleichtert. Bevor es wirklich gewittert, wollen wir Wanderfreaks ja eh schon wieder im Tal sein.

Unter Beobachtung: Die dunklen Wolken. Foto: Sarah Pallauf
Unter Beobachtung: Die dunklen Wolken. Foto: Sarah Pallauf

Am Schwaigriegelsattel angelangt tritt der klassische Seilbahn-Effekt ein und es kommen uns immer mehr Menschen, durchaus weniger verschwitzt und in hübscheren Schuhen als wir entgegen. „Die sind mit der Rax-Seilbahn hochgefahren!“, raunen wir uns schmunzelnd zu. Wir folgen dem Wegweiser „Höllentalaussicht“, die ich schon sehr lang sehen möchte, bevor es in Richtung Hütte geht. Und die Aussicht ist tatsächlich sehr beeindruckend!

Großartige Tiefblicke bei der Höllentalaussicht. Foto: Sarah Pallauf
Großartige Tiefblicke bei der Höllentalaussicht. Foto: Sarah Pallauf

Allerdings donnert es auch zum ersten Mal, als wir gerade den Tiefblick auf die steilen Felswände der Rax bestaunen. Eine Frau neben uns zuckt zusammen und meint gleich: „Hiiilfe!“

Pausenplatz deluxe, Lagebesprechung und die Entscheidung

Da K. auch keine große Freundin von Gewittern ist (ich eh auch nicht!), gehen wir dann doch flotten Schrittes zum Ottohaus, um zu pausieren und unseren Plan zu besprechen. Für einen Abstieg haben wir uns nämlich noch nicht entschieden. Mit wunderschönem Blick auf den Törlweg jausnen wir und sind mehr als zufrieden. Der Törlweg steht auch zur Auswahl für den Abstieg, aber wir entscheiden uns dann doch um – damit für mich auch ein neuer Weg dabei ist.

Pausenplatz deluxe. Foto: Sarah Pallauf
Pausenplatz deluxe. Foto: Sarah Pallauf

Mithilfe weiterer Beobachtung der Wolken und unserer Wetterapps entscheiden wir uns für keine zu lange Pause, da wir das nächste hoffentlich noch trockene Zeitfenster nutzen wollen, um ins Tal zu kommen. Wir verlassen also den super Pausenplatz und staunen noch ein wenig, wie unglaublich entspannt alle wirken. Sieht sich eigentlich irgendjemand die dunklen Wolken, die sich zusammenbrauen, an? Hm.

Dann folgen wir eine Zeitlang den Menschen mit den frischen Wanderhemden und schönen Schuhen bis zum Rax-Berggasthof, der auch die Bergstation der Seilbahn ist.

Mit den frischen Menschen auf den Berggasthof zu. Foto: Sarah Pallauf
Mit den frischen Menschen auf den Berggasthof zu. Foto: Sarah Pallauf

Dort geht sich noch ein Drink aus, bevor wir talwärts gehen – da wir uns nicht mehr besonders energiereich fühlen, entscheiden wir uns gegen die Brandschneide, da wir nicht sicher sind, wie angenehm diese im Abstieg ist. Es wird also ein Steig mit einem jetzt nicht so sexy Namen: Gsolhirnsteig! 😊

Es wird der Gsohlhirnsteig. Foto: Sarah Pallauf
Es wird der Gsohlhirnsteig. Foto: Sarah Pallauf

Auf dem Gsolhirnsteig ins Tal runter – und das mit dem besten Timing ever!

Der führt uns durch den Wald, stellenweise sehr steil, aber großteils angenehm zu gehen, flugs bergab und wir trödeln ob der Wetterlage auch nicht.

Wir beginnen den Abstieg. Foto: Sarah Pallauf
Wir beginnen den Abstieg. Foto: Sarah Pallauf

Ja, und kurz bevor wir das Tal erreichen – eigentlich kurz nach der Abzweigung, bei der der Törlweg von rechts auf unseren Weg stößt – kommt die filmreife Szene, die wir zeitlich einfach nicht besser hätten planen können. Eine Kurzskript.

Die ersten Regentropfen fallen und werden größer.

K & S: „Lass uns die Regenjacken anziehen!“

K und S stoppen, um Rucksäcke und Körper regenfit zu machen.

S: „Ach, das ist bestimmt jetzt ein starker, aber kurzer Schauer.“

K: „Wie gut, dass hier schon Häuser sind, bei denen wir uns zur Not unterstellen können.“

S dreht sich nach links.

S: „… ja, wie zum Beispiel dieses süße Häuschen hier.“

In exakt diesem Moment: Frau kommt aus eben diesem Häuschen und sagt: Wollt ihr euch nicht unterstellen? Ihr werdet sonst ja ganz nass!

S & K: „Sehr gern, vielen Dank!“

Regen: Stärker, immer stärker. Ist das noch Regen? Nein, es wird langsam zu Hagel. :-O

Frau aus dem Häuschen öffnet wieder die Tür: „Habt ihr Hunger? Kommt doch rein in die Stube!“

K & S mit Blick auf das Wetter und den Regen, der nicht mehr nach „baldigem Aufhören“ aussieht: „Sehr gerne, vielen Dank!“

Es hagelt Wachteleier!

2 Minuten später sitzen wir bei Kaffee und Tee in der Stube. 5 Minuten später beginnt der Regen zu Hagel zu werden. Aber nicht zu irgendeinem Hagel, sondern zu den – ich schwöre! – größten Hagelkörnern, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Sie sind zwischen wachtelei- und hühnereigroß. Wir staunen fasziniert und schockiert und haben kurzzeitig Sorge, dass die Fenster des Häuschens dem Wetter nicht standhalten würden. Tun sie aber dann doch.

Die gastfreundliche Häuschenfrau huscht kurz nach draußen, um die Scheune zu schließen. Als sie zurückkommt, hat sie rote Flecken am Arm – von den Hagelkörnern, die sie getroffen haben.

Hagelkörner in Eiergröße. Foto: Sarah Pallauf
Hagelkörner in Eiergröße. Foto: Sarah Pallauf

Wir denken an die Menschen, die noch so entspannt oben am Berg waren und hoffen, dass es alle in Sicherheit geschafft haben. (Später werden wir lesen, dass Menschen wegen des Hagels in der Felswand direkt neben unserem Aufstiegsweg festgesteckt sind und in einer 11-stündigen (!) Rettungsaktion geborgen wurden. Wir werden die Köpfe schütteln über Menschen, die schlecht ausgerüstet und offenbar ohne die Wetterlage zu beachten, eine lange Tour/Kletterei an einem gewittrigen Tag mittags beginnen.)

Die nächsten eineinhalb Stunden sitzen wir in dem süßesten Häuschen, sind entspannt, plaudern und freuen uns sehr über den perfekten und noch dazu so netten Regenunterstand.

Tausche süßes Häuschen gegen Busfahrt

Irgendwann müssen wir ja doch weiter, ziehen alles an, was wir haben und ziehen los, sobald der Regen nur mehr ein Nieselregen ist und dann auch bald aufhört. Wir schreiten durch eine völlig verwandelte Landschaft – umgeworfene Bäume, immer wieder weiße Schnee- und Hagelflecken, und es ist bitterkalt geworden. Spontan frage ich meine Freundin: „Und, was machst du zu Weihnachten?“, weil einfach nichts mehr nach August aussieht.

Und, was machst du zu Weihnachten? Foto: Sarah Pallauf
Und, was machst du zu Weihnachten? Foto: Sarah Pallauf

Wir kommen bei Hirschwang an der Rax auf die Straße zurück, nachdem wir die Schwarza abermals überquert haben. Die Pause im süßen Häuschen hat allerdings auch bedeutet, dass es keinen Bus mehr zurück nach Payerbach-Reichenau gibt und unsere Wanderung somit noch länger nicht zu Ende ist.

So wandern wir am Wasserleitungsweg durch das still gewordene Hirschwang, immer Richtung Payerbach-Reichenau – auch dieser Weg zieht sich am Ende ganz schön. Dass unsere Wanderung so lang wird, hatten wir gar nicht geplant. Traurig-schöne Momente sind die Zwetschgenbäume auf dem Weg, deren Früchte der Hagel zu Boden gerissen hat und mit denen wir uns jetzt die Taschen füllen. Quasi Zwetschgen auf Eis. 😊

Links: August – oder doch Dezember? Rechts: Spuren des Unwetters. Fotos: Sarah Pallauf

Irgendwann, ja irgendwann haben wir es dann doch geschafft, Hirschwang, die Höllentalbahn, Reichenau hinter uns gelassen und den Bahnhof Payerbach-Reichenau erreicht. Wir lassen uns in den Zug nach Wien fallen und wollen beide morgen mal nicht wandern gehen.

Fazit

Der KI der Alpenverein Aktiv – App sagt zu dieser Tourenplanung „Lange Wanderung an der Schwarza entlang“. Dem Adjektiv „lang“ stimme ich zu. Die über 20 Kilometer kombiniert mit knapp 1.200 Höhenmetern machen die Tour konditionell durchaus anspruchsvoll. Aber das Gute daran: Den schönen Aufstieg kann man ja auch ohne Probleme mit dem Törlweg und einer Busfahrt verbinden, das verkürzt die Wanderung um etliche Kilometer. Das geht halt nur, wenn man nicht im süßen Häuschen einkehrt.

Ich empfehle die Tour trotz ihrer Länge auf jeden Fall weiter – sie ist super abwechslungsreich, mit tollen Ausblicken, zwei Einkehrmöglichkeiten unterwegs und außerdem perfekt mit anderen Auf- oder Abstiegen kombinierbar. Nochmals lege ich dir den Wetterbericht ans Herz, bevor du losziehst! Denn ich hab an diesem Tag wieder gelernt, dass auch ein schöner Augusttag sich in Windeseile in einen kalten Dezembertag verwandeln kann.

Schönes Nachgehen!

Tourdaten

Die Route in Zahlen:   8:00 Std Wandern   1.150 HM   1.200 HM   21 km   GPX Track

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