In den Ötztaler Alpen gibt es unzählige Skihochtouren die beliebig zu Mehrtagestouren kombiniert werden können. Hier möchte ich eine 3-tägige Durchquerung vorstellen, welche der im Sommer beliebten Venter Hüttenrunde ähnelt und einiges an Spielraum für Varianten bietet. Die Route führt von Mittelberg im Pitztal mit Übernachtungen in den Winterräumen des Taschachhaus und Brandenburger Haus nach Vent. Mit Start in Vent und Übernachtung im Winterraum der Breslauer Hütte kann man die Tour um einen vierten Tag ergänzen und zu einer Runde machen.
Kommentar zur Sicherheit: Diese Tour führt durch hochalpines und vergletschertes Gelände. Alpine Erfahrung, Einschätzungsvermögen und Beherrschung der Spaltenbergung sind Grundvoraussetzungen.
Route | Höhenmeter | Distanz | Dauer |
Tag 1: Mittelberg im Pitztal – (Wildspitze via Seilbahn) – Taschachhaus (WR) | +750 m (+1.200/-1.400 m) | 7,5 km | 3 (5) Std. |
Variante Tag 0/1: Vent – Breslauer Hütte (WR) – Wildspitze (3.768m) – Taschachhaus (WR) | + 1.900/-1.400m | 17 km | 3+8 Std. |
Tag 2: Taschachhaus (WR) – Taschachjoch – Vernagthütte ( | +1.700/-900 m | 16 km | 8 Std. |
Tag 3: Brandenburger Haus (WR) – Hochjochhospiz (BW) – Hauslabjoch – Martin-Busch-Hütte (BW) – Vent | +1.000/-2.400 m | 24 km | 6 Std. |
Info zur Vernagthütte: Die Hütte ist von August 2024 bis Dezember 2025 wegen Umbau geschlossen. Winterraum ist in dieser Zeit auch keiner vorhanden (wird neu gebaut). Weitere Infos hier.
Tag 1: Über die Wildspitze zum Taschachhaus
Am ersten Tag wartet mit der Wildspitze bereits der höchste Gipfel der Tour, gleichzeitig aufgrund der Seilbahnnähe vermutlich auch der am stärksten frequentierte Wegabschnitt. Ich muss die Wildspitze heute leider auslassen, da ich am Vormittag noch einen Termin auf der Uni habe. So starten meine zwei Freunde zunächst ohne mich in der Früh in Innsbruck in Richtung Pitztaler Gletscher. Mit der gut gefüllten ersten Gondel geht es aufwärts bis auf über 3.200 Meter. Nach einem kurzen Stück auf der Piste verlässt man am Mittelbergjoch das Skigebiet und fährt auf den Taschachferner ab. Trotz Skigebietsnähe und ausgeprägter Spuren darf man nicht vergessen, dass man sich auf einem hochalpinen Gletscher mit all seinen Gefahren befindet.

Etwa 700 Höhenmeter steigt man am Taschachferner bis zum Skidepot unter der Wildspitze auf.
Am Grat klettert man dann noch etwa 100 Höhenmeter, bis man am höchsten Punkt Tirols (3.768 Meter) steht.


Wildspitze Gipfelgrat. Fotos: Matthias Dippold, Jakob Roniger
Wer nach nach der Wildspitze noch nicht genug hat, kann zusätzlich über den ausgesetzten Südostgrat (UIAA I-II) auf den Hinteren Brochkogel (3.635 Meter) klettern. Der Brochkogel wird deutlich seltener als die Wildspitze bestiegen, ist deshalb aber definitiv nicht weniger lohnenswert.


Am ausgesetzten Südostgrat des Hinteren Brochkogels. Fotos: Jakob Roniger, Matthias Dippold
Nach dem Gipfelsieg wartet als Belohnung die spektakuläre Abfahrt durch die wilden Eisbrüche des Taschachferners. Am Ende des Gletschers erreicht man nach einem kurzen Gegenanstieg das Taschachhaus.

Variante: Aufstieg durchs Taschachtal
Für mich startet die Tour einige Stunden später ebenfalls bei der Talstation der Pitztaler Gletscherbahnen, allerdings nicht mit der Seilbahn. Bis zur Taschachalpe gehe ich auf der Rifflsee-Talabfahrt, dann nach links auf einer Forststraße über den Taschachbach und das gleichnamige Tal weiter einwärts. Während dem Aufstieg kommen mir unzählige Gruppen entgegen, die von der Wildspitze abfahren. Da war heute einiges los.


Start auf der Piste, weiter im Taschachtal. Fotos: Simon Widy
Am Talende bei der Materialseilbahn wird das Gelände etwas steiler, nach einigen Kehren erreicht man schlussendlich den Winterraum des Taschachhauses auf 2.434 Metern. Winterraum ist hier eigentlich der falsche Begriff, denn es gibt ein eigenes Winterhaus. Dieses ist geräumig, gut ausgestattet und bietet in 3 Lagern Platz für bis zu 27 Personen. In unserem Fall ist das Winterhaus zwar gut besucht, aber dennoch nicht überfüllt.


Die letzten Meter vorm Taschachhaus; Das geräumige Winterhaus. Fotos: Simon Widy
Variante Tag 0/1: Von Vent über die Breslauer Hütte auf die Wildspitze
Info: Die Fotos zu dieser Variante stammen von einer Tour im Mai 2023.
Bei einem weiteren freien Tag ist es auch Möglich, diese Tour in Vent zu starten und die Wildspitze über die Breslauer Hütte zu besteigen. Dabei steigt man am Vortag etwa 950 Höhenmeter über die Piste und dann einen häufig lawinengefährdeten Hang zur Breslauer Hütte auf, wo man im Winterraum nächtigt. Auch dieser Winterraum ist mit 22 Schlafplätzen überdurchschnittlich groß.


Zustieg zur Breslauer Hütte. Fotos: Simon Widy
Am nächsten Tag erreicht man über das Mitterkarjoch (am Ende sehr steil, Schlüsselstelle) den Taschachferner. Hier trifft man auf die Route von der Seilbahn, der Weiterweg ist gleich wie oben beschrieben. Alternativ kann man die Wildspitze von der Breslauer Hütte auch über den Rofenkarferner und Jubiläumsgrat besteigen.


Aufstieg zum Mitterkarjoch. Fotos: Simon Widy
Tag 2: Über das Taschachjoch zur Vernagthütte und über den Fluchtkogel zum Brandenburger Haus
Die Etappe vom Taschachhaus zum Brandenburger Haus ist jene mit den meisten Höhenmetern der Tour. Mit Gipfelbesteigung des Fluchtkogels kommt man auf über 1.700 Meter Höhenunterschied, ein Großteil davon über 3.000 Meter Seehöhe. Eine gewisse Grundausdauer ist definitiv notwendig. Abkürzen könnte man, indem man am bewirtschafteten Hochjochhospiz übernachtet. Auf der Vernagthütte steht derzeit (bis Dezember 2025) kein Winterraum zur Verfügung.

Wir starten in der Früh vom Taschachhaus flach durchs Taschachtal, dann nach links bergauf über den Sexegertenferner in Richtung Taschachjoch.


Am Sexegertenferner Richtung Taschachjoch. Fotos: Jakob Roniger, Simon Widy
Vom Taschachjoch fahren wir über den Vernagtferner bis unter die Vernagthütte ab. Hier fellen wir nochmals auf und gehen dann an der sich derzeit in Renovierung befindenden Vernagthütte vorbei entlang der Moräne bis zum Guslarferner.

Wir steigen am Guslarferner weiter bis zum Oberen Guslarjoch auf. Das letzte Stück unter dem Joch ist etwas steiler, aber noch gut mit Ski machbar.

Vom Guslarjoch könnte man direkt zum Brandenburger Haus fahren. Wenn es Kondition und Bedingungen noch hergeben, sollte man eine Besteigung des Fluchtkogels allerdings nicht auslassen. Sind es doch nur 170 Höhenmeter in mäßig steilem Gelände, bis man auf dem 3.494 Meter hohen Gipfel steht und ein 360° Panorama über die imposanten Gletscher der Ötztaler Alpen genießen kann.


Am Gipfel des Fluchtkogels (3.494 Meter). Fotos: Matthias Dippold
Unser Tagesziel, das beeindruckend über dem Gepatschferner liegende Brandenburger Haus, erkennt man bereits von weitem. Vom Fluchtkogel fahren wir über den Gletscher bis an den Fuß der Dahmannspitze ab.

Wir fellen hier ein letztes Mal auf und steigen bis zur Hütte auf 3.277 Meter auf. Auch der Winterraum der Brandenburger Hütte lässt keine Wünsche offen. Neben der standardmäßigen Ausstattung, die ausreichend zur Verfügung steht, wird sogar Bier und Wein zum ehrlichen Verkauf angeboten. Ein beeindruckendes Angebot für einen abgelegenen Winterraum auf über 3.000 Metern. Natürlich gilt hier wie überall, den Winterraum ordentlich zu verlassen, mit Verstand zu nutzen und die angeschriebene Gebühr zu entrichten.

Tag 3: Abfahrt zum Hochjochhospiz, weiter über das Hauslabjoch zur Martin-Busch-Hütte und nach Vent
Der dritte Tag gibt wettertechnisch leider nicht das her, was wir erhofft hatten. Mit starkem Föhn ziehen tiefe Wolken auf und schnell entsteht das berüchtigte „Whiteout“. Unseren eigenen Plan, die Weißkugel über den Langtauferer Ferner zu besteigen, verwerfen wir deshalb. Als Alternative entscheiden wir uns dafür, über den Kesselwandferner zum Hochjochhospiz abzufahren, um dann auf das Hauslabjoch aufzusteigen. Über die Ötzi-Fundstelle und die Martin-Busch-Hütte kommen wir schlussendlich nach Vent.
Die Navigation am Kesselwandferner wäre bei klaren Bedingungen ein Kinderspiel. Wenn man aber nicht mal erkennt, ob es bergauf oder bergab geht, ist man sehr dankbar, dass es heutzutage Technologien wie GPS und Offline-Speicherung der Karten gibt.


Hinter der Hütte kommt stellenweise noch blau hervor, vorne nur weiß. Fotos: Jakob Roniger, Simon Widy
So folgen wir dem GPX-Track hinunter vom Gletscher und fahren bis in das vom Hintereisferner geformte Rofental ab. Trotz der geringen Schneelage finden wir einen Weg und erreichen ohne Abschnallen die Brücke unterhalb vom Hochjochhospiz.


Abfahrt ins Rofental bei geringer Schneelage im März 2025. Fotos: Simon Widy
Bei der Brücke wechselt man in den Aufstiegsmodus und geht in einem Tal nach Süden in Richtung des Skigebiets Kurzras.

Das Skigebiet erreicht man allerdings nicht, man zweigt vorher nach links ab und steigt über den Hochjochferner zum Hauslabjoch auf. Der Hochjochferner ist sehr flach und dementsprechend lang ist auch der Aufstieg. Das durch das Whiteout verlorengegangene Zeitgefühl lässt den Aufstieg noch länger erscheinen.


Anstatt komplett weißen Bildern hier Beispielfotos vom Hochjochferner aus dem Jahr 2023 bei etwas besserer Sicht. Fotos: Simon Widy
Vom Hauslabjoch fahren wir über die Ötzi-Fundstelle zur Martin-Busch-Hütte ab, wo die Sicht endlich wieder besser wird.


Am Hauslabjoch und beim Obelisken der Ötzi-Fundstelle. Fotos: Simon Widy


Abfahrt zur Martin-Busch-Hütte. Fotos: Simon Widy
Auf der bewirtschafteten Martin-Busch-Hütte lassen wir bei einem Getränk die erlebnisreichen letzten drei Tage Revue passieren, bevor wir auf der Forststraße nach Vent abfahren. Von Vent nehmen wir Busse über Zwieselstein und Sölden nach Ötztal-Bahnhof, wo wir in den Zug nach Innsbruck einsteigen.