Meine Obsession, die bike&hike – Möglichkeiten von Salzburg aus mit meinem E-Bike auszureizen hat mich verleitet, diese Tour zu planen und durchzuführen. Den mehr als 3000 Höhenmetern für Drahtesel und Reiter hat der Wanderer noch 1000 Höhenmeter zu Fuß hinzugefügt.
Bitte beachten: Fahrradstellplätze in Zügen sind begrenzt und im Fernverkehr reservierungspflichtig!
Steckbrief
Start/Ziel: Bahnhof Bruck-Fusch |
Aufteilung Bike/Hike: 98 km/3300 hm Rad, 10 km/1000hm Wanderung |
Meine „Lieblings S3“ um halb Fünf ist diesmal leer. Bequem sitze ich, lese, nütze die Toilette. (Wie gut ausgestattet diese Garnitur ist: sogar mit barrierefreiem WC!)
Pünktlich um 6:10 Uhr – der Lift von Bahnsteig zu Bahnsteig, wieder so eine bequeme Ausstattung – fahre ich noch in der Dunkelheit vom der Haltestelle auf die Glocknerstraße.
Kein Verkehr; ich beschließe, die Hinweise auf Radwege zu ignorieren. Bei der Mautstelle Ferleiten gibt es eine extra Radspur: man muss dann absteigen und einen Knopf drücken – nun darf man durch.
Ganz schön lang bis zur ersten Kehre… Kurz vor dem Fuscher Törl erreicht mich die Sonne. Der erste Blick zum Großglockner!
Nun geht es zur Fuscher Lacke knapp 200 Höhenmeter bergab: Warm anziehen! Dann kommt ein Tunnel, noch nicht das Hochtor sondern das Mittertörl, und dann erst das Hochtor. Erhebend, die höchste Stelle geschafft zu haben und durch den ebenen Tunnel zu rollen.
Gut 600 Höhenmeter Abfahrt erwarten mein Bike und mich. Mittlerweile ist es vorbei mit der Ruhe: gefühlt 50 Motorräder haben mich schon überholt; der Lärm der Motoren ist ständiger Begleiter auf den gut 400 Höhenmeter zur Franz-Josefs-Höhe. Bevor ich die letzte Steigung wage, steht mein Rad am Straßenrand und meine Hand sucht und findet Stärkungen in meinem Rucksack. Drei Stunden, nachdem ich den schützenden, stillen Wagon verlassen habe, suche ich auf 2.370 Metern einen Abstellplatz, der mir erlaubt, mein Rad auch anzuhängen. Ein GROHAG-Mitarbeiter meint, dass ich im Parkhaus schon etwas finden werde…
Rund um mich herrscht Trubel – ich will nichts wie weg, in die Berge, suche schnellen Schrittes ein Tor in die Freiheit, stiefle ein Treppenhaus hinauf, das sich als Sackgasse entpuppt… Schließlich finde ich einen Grotten – oder Geisterbahn ähnlichen Stollen: Beginn des Gamsgrubenweges, steinschlagsicher. Aus verborgenen Lautsprechern kommen unheimliche Geräusche, Gruselfilmmusik, … Märchen werden vorgestellt …
Mein Schritt wird immer schneller … „Wer hat euch erlaubt, meine Berge zu einer Markthalle zu machen?“
Der Ausgang des letzten der sechs Stollen ist mit einer Kette abgesperrt: „Ende des Weges, weiter dürfen nur erfahrene Alpinisten“ – Der Test ist offenbar die Fitness, diese Kette zu übersteigen oder zu unterkriechen…
Dann blicke ich hinunter zur Pasterze: 1980 bin ich hier (Eiskurs auf der Oberwalder Hütte) u.a. mit meinem Bruder das erste Mal gegangen… und ein paar Jahre später von der Hofmannhütte auf den Glockner… Ich sehe einen verhungernden Gletscher im Todeskampf…
Bald ist die Abzweigung Fuscherkarkopf S-Grat erreicht. Ich adjustiere mich für den Aufstieg. Der Steig ist gut ausgetreten, bald kommen die ersten Seil-Geländer, die ihren großen Auftritt besonders bei Nässe oder Schnee haben.
Das Gelände ist – wie man hier sagt – bratschig: ein leicht verwitterndes, splittriges Gestein, das so stark in Bewegung ist, dass sich nur ganz spezielle Pflänzchen an vereinzelten, geeigneten Plätzen halten und entfalten können. Keine Markierung, aber gute Wegspuren; meiner Vorliebe gehorchend halte ich mich nach Möglichkeit am Grat.
Ich trete in eine deutlich kühlere Luftschicht ein, auch wird es neblig. Ab dem Punkt 3.252 Meter (AV-Karte, NW-Gipfel) geht es auf dem W-Grat Richtung Gipfel. Die Felsen, die begangen werden müssen – nichts für Ausgesetzt–Verweigerer – sind fest und technisch nie schwierig.
Länger als erwartet dauert es, bis der Gipfel in Sicht kommt. Shakehands mit dem Gipfelkreuz.
Es ist gegen ¾ 12. Da ich im windigen Nebel stehe, gibt es keine Gipfelrast, sondern nur eine kleine Stärkung während ich mich wärmer anziehe und die Schuhe für den Abstieg fester schnüre.
Nicht ganz eine Stunde später sitze ich in der Wiese bei der Abzweigung vom Gamsgrubenweg und halte Mittagsrast und Mittagsruhe. Als es mir nach Aufbrechen ist, ich den Rucksack am Rücken und den Hut auf dem Kopf habe und zwei große Schritte zum breiten Weg mache: Da will jemand bemerkt, liebkost werden: ich habe in einer Edelweißbahn geruht!
Die Geisterbahn-Grotte bringe ich, diesmal mit toleranteren Gefühlen (Kinder freue sich) hinter mich und setze mich im Parkhaus neben mein Rad. Die Wasservorräte habe ich mir in der Toilette aufgefüllt. Es beginnt leicht zu regnen, vom Johannisberg zieht ein Schauer talauswärts. Abwarten – hier unterm Dach? Ich entscheide mich für: Davonfahren! Und tatsächlich, bald nach dem Glocknerhaus wird die Fahrbahn trocken.
Ständig blicke ich mit Sorgenfalten auf die Akku-Anzeige: Wird es sich bis zum Fuscher Törl ausgehen? Ab dann ist es egal, – aber bergauf mit dem schweren Rad ohne Unterstützung? Keine angenehme Vorstellung. Zunächst also die Auffahrt zum Hochtor, dann nochmal hinunter, und – ich versuche mit Muskelkraft einen so großen Beitrag wie noch möglich zu leisten – von der Fuscher Lacke hinauf zum Törl: Geschafft! Jetzt kann ich mich – soweit es der Verkehr zulässt – entspannen. Mit den Autos halte ich im Großen und Ganzen mit, die Motorräder lassen sich dies (irgendwie kann ich es verstehen) nicht bieten und zischen an mir (mein Tacho zeigt 50+) vorbei.
Meine brave S3 wird kurz vor 17 Uhr fahren. Diesmal benütze ich – weil ich Zeit habe und aus Neugier – ab Fusch den Radweg, raste nochmal ausgiebig und besorge mir in Bruck für die bequeme Bahnfahrt eine Stärkung im am Weg liegenden Supermarkt.
Im Radabteil ist mein Drahtesel (der Rahmen ist aber aus Karbon) in guter Gesellschaft und kann von einer bestandenen Prüfung erzählen.
Fazit
Wie gewaltig die Landschaft ist, die sich beim Befahren der, fast durchwegs perfekt (!) asphaltierten, Glocknerstraße darbietet, brauche ich nicht extra hervorzuheben. Das E-Rad ist – bergauf – langsam genug, um dies in vollen Zügen zu genießen (wenn es den Ohren und Augen – abgesehen von der stillen Morgenstunde – gelingt, den Massenverkehr auszublenden). Der Weg auf den Fuscherkarkopf (ich habe ein Pärchen und eine Vierergruppe getroffen) ist ausgegangen, lässt aufgrund der fehlenden Vegetation und dem stark verwitternden Gestein (Anfang September: kein einziges Schneefleckchen bot dem Auge Abwechslung; kein einziges Rinnsal, um Wasser zu tanken!) Wüsten–Assoziationen aufkommen, die man mögen muss. Wer Edelweiß „in natura“ sehen will, kann mit wachem Blick das Plätzchen bei der Abzweigung des S-Grates aufsuchen.
Gewaltig lieber Karl! Und auch deinen niedergeschriebenen Gedanken zu folgen, macht Freude! Danke und liebe Grüße, Veronika