Der (im Klimaticket inbegriffene) Transport des (E-)Bikes in der S-Bahn erweitert den Radius gut erreichbarer Tagestouren rund um Salzburg. Der schöne Name „Drei Brüder“ ist verlockend, und der Herbst steuert das Seine zu dieser Bike&Hike-Tour bei, die – wie eine kurze Recherche zeigt – eine Reihe von Liebhabern gefunden hat. Die MTB-Route ist zwischen 1. Mai und 15 November tagsüber geöffnet.
Diese niedrigen Gipfel stehen, wie der Mittelpunkt in einem Amphitheater, im Zentrum der grandiosen Alpenarchitektur: Der Blick reicht vom Dachstein über den Hochkönig bis zum Wilden Kaiser, und über die von hier äußerst imponierende Glocknergruppe bis weit in die Niederen Tauern.
Die S3 ist werktags gegen ½ 7 Uhr schon gut besetzt; vor allem SchülerInnen sind, still ins Handy vertieft oder munter plaudernd, auf dem Weg zu ihrem Tagewerk. In Schwarzach bleibt der – nun leere Zug – etwas länger stehen. „Habe ich übersehen, dass ich umsteigen muss?“ Ich suche und finde doch noch einen anderen Fahrgast: „Hier ist Lockführerwechsel.“ Entspannt geht es bis zur kleinen Haltestelle Gries.
Sehr angenehm bei dieser Tour ist es, dass man nur aus dem Zug aussteigen und die Gleise überqueren muss – und schon ist man auf dem Tauernradweg! Die auf einem kleinen Hügel erbaute Kirche St. Georgen mit dem – für diese Gegend untypischen – Turm mit Satteldach belebt den Blick nach Westen, während man am Staubecken des Salzachkraftwerks Gries entlang fährt.
Nach etwa 2 km folgt man der Straße nach Unter- und Ober Reit. Hier ist bereits die Bike-Route gut beschildert. Auch nach dem Ende des Asphalts bleibt die Straße gut: Die am Bau der 380KV – Leitung beteiligten LKWs haben sich als Straßenwalzen betätigt.
Danach beginnt es immer wieder zu rumpeln, wie auf schlecht verlegtem Kopfsteinpflaster. Wurde hier der Schotter einer aufgelassenen Bahntrasse als Unterbau recycled?
Der Wald weicht der Erlhofalm. Nach der großen neuen Hütte geht es noch ein Stückchen weiter. Bei einem (da unversperrt, bei Regenwetter als Unterstand nutzbarem) kleinen Häuschen – das mich an die am Ende von Schleppliften befindlichen Hüttchen erinnert, die dem Liftwart, der auf das korrekte Auslassen des Bügels achten musste, Schutz vor Schneegestöber boten, erinnert – stelle ich mein Rad ab.
Das mächtige Kar der Drei Brüder liegt noch im Schatten. Eine lang-mächtige Schneezunge stößt bis fast zu den Almwiesen herunter.
Der markierte Weg wird von ihr durchkreuzt. Da ich mir das Einbrechen im Lawinenrest ersparen will, bleibe ich am Rand. Im steiler werdenden Gelände rutscht mein Schuh kurz ab – ein Weckruf: Ich lege die Snow-Spikes an und strebe von Steilheit, langem, niedergedrücktem Gras und Feuchtigkeit unbehelligt dem Grat zu.
Kaum erreiche ich ihn, entfährt mir ein Schrei – vor Begeisterung: Sonne und ein leichter, warmer Föhn streicheln mich, der Blick zu den weißen Riesen der Glocknergruppe – von hier zieht das Wiesbachhorn alle Blicke auf sich; den Glockner selbst muss man fast suchen – weckt Endorphine.
Zweieihalb Stunden nachdem ich das Rad aus dem Zug geschoben habe, stehe ich beim Gipfelkreuz des Breitkopfs auf 2.251 Metern.
Der noch recht junge Tag lädt mich ein, auch „einem vierten Bruder“, dem Achenkopf (2.260 Meter) einen Besuch abzustatten. Die Snow-Spikes sind auf dem steilen, wenig ausgetretenem Pfad eine willkommene Bequemlichkeit.
Um 12 Uhr bin ich zurück am Schafelkopf, dem mit 2.266 Metern höchsten Gipfel dieser Perlenkette.
Ein Kondensstreifen wirft auf Zell am See einen dunklen Schatten, wie einen giftigen Pfeil; der Nebel im Oberpinzgau ist verschwunden. Wie eine Katze verschüttete Milch hat ihn die Sonne weggeschleckt.
Nun steht mir das lange Gratstück bis zum dritten und niedrigsten der Brüder, dem Stolzkopf mit 2.138 Metern bevor. „Schwindelfreiheit und absolute Trittsicherheit“ sind Voraussetzung, heißt es zurecht. Nur Dachdecker werden beim Wandern auf dem Gratfirst ihren gewohnten Ruhepuls beibehalten.
Der zunächst steile Abstieg zur Heubergscharte findet mich im Schatten einer kleinen Fichte bei der Mittagsrast, den Blick auf alte Bekannte genießend, die ich wieder mal von einer neuen Seite betrachten darf.
Mir ist heute nach Experimentieren. So gehe ich nicht der Markierung nach, sondern suche mir durch Wiesen, Geröll, Grauerlengebüsch und Almrausch einen direkten Weg hinunter zu meinem Rad. Nun liegt das Kar in der Sonne, die Lärchen versprühen ihre leuchtenden Farben.
Ein Blick auf die Zugverbindung heißt mich, meine Fahrzeit nach Gries hinunter einzuschätzen: Auch mit dem einzuberechnenden Sicherheitspolster geht sich bei der Hütte noch eine Rast aus. Ich nutze den Trog zur Erfrischung und die Bank wird mir für ein Viertelstündchen zum Bett.
Schwer fällt der Abschied; der Fahrtwind erfordert Windjacke und Handschuhe.
Dass sich das Bahnwärterhäuschen mit der Adresse „Dreibrüderweg 1“ vorstellt, kommt mir heute passend vor.
Diese Tour hat einen idealen Bike-Zustieg, der auch eines der üblichen E-Räder nicht überfordern wird. Die Wanderung braucht Tiefblicke-gewohnte Augen. Wem Steigeisengehen vertraut ist, wird mit Snow-Spikes, die bei leichten, flexiblen Schuhen und feuchten Verhältnissen empfehlenswert sein können, Freude haben. Der „Vierte Bruder“ ist eine Extratour. Wer ausgesetzte Stellen lieber bergauf bewältigt, für den könnte die Runde über die Drei Brüder im Gegenuhrzeigersinn (Heubergscharte – Stolzkopf – Schaflkopf – Breitkopf) vorteilhaft sein.